Great Barrier Reef: Kohleland Australien im Visier der Uno
Wer am Great Barrier Reef vor der australischen Küste taucht oder schnorchelt, kann sich der Faszination dieser einzigartigen Unterwasserwelt nicht entziehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Great Barrier Reef könnte zum gefährdeten Naturerbe werden.
- Die Unseco wird am Freitag darüber befinden.
- Trotz der drohenden Zerstörung hält Australien an fossilen Brennstoffen fest.
Vor der Küste von Queensland erstreckt sich über 2300 Kilometer das grösste Korallenriff der Welt. Aber dem Great Barrier Reef droht die Zerstörung. In der Kritik steht auch die australische Regierung - den Klimasünder könnte das nun teuer zu stehen kommen.
Spektakuläre Korallenformationen, sanft schwingende Seeanemonen und unzählige Meereskreaturen: Das Riff gilt als eines der atemberaubendsten Naturwunder der Erde. Aber es steht vor dem Kollaps: Drei verheerende Korallenbleichen innerhalb der vergangenen fünf Jahre - 2016, 2017 und 2020 - sowie die Industrialisierung entlang der Küsten haben ihm schwer zugesetzt. Jetzt ist sein Welterbe-Status in Gefahr.
Wird Great Barrier Reef zu gefährdeter Naturerbstätte?
Experten warnen, dass die steigenden Wassertemperaturen die 25 Millionen Jahre alte Pracht bald gänzlich vernichten könnten. Schon als die erste der drei verheerenden Korallenbleichen eingesetzt hatte, berichtete Terry Hughes vom Institut für Korallenforschung an der James Cook-Universität: «Ich habe die Ergebnisse unserer Luftaufnahmen nach einem Überflug meinen Studenten gezeigt. Und dann haben wir geweint.»
Seither ist die Lage eher schlimmer als besser geworden. Deshalb will die Unesco in den nächsten Tagen bei ihrer Sitzung im chinesischen Fuzhou entscheiden, ob das Great Barrier Reef auf die Liste gefährdeter Naturerbestätten gesetzt wird. Die langfristigen Aussichten für das Riff, das seit 1981 zum Welterbe gehört, hätten sich von «schlecht» zu «sehr schlecht» entwickelt, so die Uno-Organisation. Das will die Regierung in Australiens Hauptstadt Canberra zwar weder hören noch öffentlich diskutiert haben, aber die Fakten sprechen für sich.
Und Fakt ist, dass Australien eine der höchsten CO2-Emissionsraten pro Kopf hat und der grösste Kohleexporteur der Welt ist. Erst vor wenigen Monaten kündigte der konservative Premier Scott Morrison an, die Gasindustrie werde für 58 Millionen australische Dollar ausgebaut. Zudem sollen 600 Millionen australische Dollar an Steuergeldern in ein neues Gaskraftwerk an der Ostküste fliessen.
Australien will an fossilen Brennstoffen festhalten
Während sich immer mehr Länder dem Kampf gegen die Erderwärmung verpflichten, will Australien also offenbar langfristig an fossilen Brennstoffen festhalten und damit weiter zum Klimawandel beitragen. Doch viele Korallengärten weltweit vertragen keine Erwärmung - besonders, wenn sie so komplex sind wie das Great Barrier Reef.
Der Weltklimarat IPCC warnte schon 2018, dass 70 bis 90 Prozent aller tropischen Korallenriffe der Welt absterben könnten, wenn die globale Temperatur um 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigt. Eine Studie ergab, dass das mehr als 340'000 Quadratkilometer grosse Great Barrier Reef innerhalb von gut zwei Jahrzehnten bereits mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren hat.
Erstmals hatte das Welterbekomitee der australischen Regierung 2014 damit gedroht, eine Gefährdungseinstufung des Great Barrier Reef in Betracht zu ziehen. Der Regierung wurde aber Zeit gegeben, eine langfristige Strategie zu entwerfen. Das tat sie auch und legte 2015 den «Reef 2050 Plan» vor.
Es wurde ins Riff-Management investiert, in wissenschaftliche Projekte, in die Verbesserung der Wasserqualität. Abladungen von Aushub in dem gesamten Gebiet wurden verboten - bis dahin war das Abkippen von Baggergut in der Umgebung des Great Barrier Reefs jahrzehntelang die Norm. Das sei aber bei weitem nicht genug - «stärkere und klarere Verpflichtungen» seien dringend nötig, mahnt die Unesco.
Unesco-Entscheid am Freitag
Eine Herabstufung könnte dazu führen, dass das Great Barrier Reef seinen Welterbe-Status gänzlich verliert. Und das wäre folgenschwer: Das Riff mit seinen Inseln und Atollen ist eine riesige Touristenattraktionen und somit ein massgeblicher Wirtschaftsfaktor.
Die Lebensgrundlage von mehr als 64'000 Menschen im Bundesstaat Queensland hängt davon ab. Vor Corona kamen jedes Jahr rund zwei Millionen Besucher. Experten schätzen den Vermögenswert des Riffs allein für den Tourismus auf umgerechnet über 20 Milliarden Franken.
«Die Regierung scheut keine Mühen oder Kosten, um die schlimme Situation des Great Barrier Reef zu vertuschen», schrieb die Klimaexpertin Lesley Hughes von der Macquarie-Universität in einem Beitrag im «Sydney Morning Herald». Gleichzeitig treibe sie die Verbrennung fossiler Brennstoffe weiter voran. Die Bemühungen Australiens zur Eindämmung des Klimawandels seien «bestenfalls als erbärmlich» zu bezeichnen.
Bei der Unesco-Entscheidung, die ab Freitag erwartet wird, stehe viel auf dem Spiel, warnte Hughes. Denn wenn das Riff wirklich irgendwann von der Welterbeliste gestrichen würde, sei das «sowohl demütigend als auch wirtschaftlich verheerend» für Australien.