Israel erlebt schlimmste Anschlagswelle seit Jahren
Es war die blutigste Woche in Israel seit 16 Jahren. Elf Menschen sind bei insgesamt drei Anschlägen getötet worden - so viele waren zuletzt bei einem Selbstmordanschlag in Tel Aviv im April 2006 ums Leben gekommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem jüngsten Anschlag in Bnei Brak bei Tel Aviv mit fünf Todesopfern drang Israels Armee in der Nacht zum Mittwoch in den Wohnort des mutmasslichen palästinensischen Täters ein.
In dem Ort Jabed nahe der Palästinenserstadt Dschenin seien sechs junge Männer festgenommen worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.
Am Dienstagabend hatte ein 27-jähriger Palästinenser in Bnei Brak mit einem Sturmgewehr des Typs M16 das Feuer auf Passanten eröffnet. Er wurde daraufhin von Polizisten erschossen. Unter den Todesopfern waren ein Polizist - ein christlicher Araber - sowie zwei Ukrainer. Die beiden anderen Opfer waren Einwohner der mehrheitlich strengreligiösen Stadt Bnei Brak - einer davon hatte den Berichten zufolge seinen zweijährigen Sohn auf dem Arm, der unverletzt blieb.
In einer Videobotschaft lobten Mitglieder der palästinensischen Al-Aksa-Brigaden in Dschenin den Anschlag. Einer von drei Vermummten kündigte darin auf Hebräisch einen «Krieg im ganzen Staat Israel» an. Die Al-Aksa-Brigaden sind der militärische Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Es handelt sich jedoch um ein lockeres Netzwerk ohne klare Hierarchie, örtliche Gruppierungen agieren oft auf eigene Faust.
Präsident Abbas verurteilte den Anschlag in Bnei Brak nach Angaben von Wafa. Die Tötung von Palästinensern und Israelis werde «nur zu einer weiteren Verschlechterung der Lage beitragen», insbesondere angesichts der anstehenden Feiertage von Muslimen, Christen und Juden. Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der Anfang April beginnt, wird eine weitere Eskalation der Gewalt befürchtet. Unklar ist, ob Israel geplante Erleichterungen für die Palästinenser zum Ramadan nun wieder streicht.
Bei einem Anschlag in der Wüstenstadt Beerscheva waren vor einer Woche bereits vier Israelis getötet worden, in der Küstenstadt Chadera wurden am Sonntag zwei Polizisten erschossen. Beide Anschläge wurden von Arabern mit israelischer Staatsangehörigkeit verübt. Alle drei waren Unterstützer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS).
Mit dem Anschlag eines Palästinensers nahe Tel Aviv habe sich nun die Sorge bewahrheitet, die Bluttaten könnten Nachahmer aus dem besetzten Westjordanland finden, schrieb die israelische Zeitung «Haaretz» am Mittwoch.
Im Westjordanland und Gazastreifen sowie im Libanon kam es nach dem Anschlag in Bnei Brak zu spontanen Freudenfeiern. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas nannte den Anschlag auch eine «rasche Reaktion auf den Gipfel der Schande in der Negev-Wüste». Am Montag waren Aussenminister vier arabischer Staaten, Israels und der USA in dem Wüstenort Sde Boker zusammengekommen. Sie demonstrierten damit den Willen zu einer stärkeren Zusammenarbeit und setzten ein Zeichen gegen den Iran. Die Palästinenser waren an dem Gipfel nicht beteiligt gewesen.
Der palästinensische Politikwissenschaftler Dschihad Harb sieht die fortwährenden israelischen Beschränkungen in den besetzten Palästinensergebieten und die politische Hoffnungslosigkeit als Nährboden für Anschläge. Harb rechnet nicht mit einem schnellen Ende der Gewaltwelle: «Wir könnten angesichts der Umstände weitere dieser Attacken sehen.»
Um genau dies zu verhindern, ist die israelische Polizei in höchster Alarmbereitschaft. Die Präsenz an belebten Orten soll deutlich verstärkt werden. Die Gewaltwelle erhöht auch den Druck auf die ohnehin fragile Acht-Parteien-Koalition in Israel. Sie umfasst Parteien aller Couleur - rechte, linke und der Mitte - sowie eine arabische Partei. Diese hat sich von den Anschlägen klar distanziert.
Regierungschef Naftali Bennett sagte nach Sicherheitsberatungen, Israel stehe vor einer «herausfordernden Periode». In der Geschichte des Landes habe es immer wieder solche Terrorwellen gegeben. «Sie haben uns damals nicht gebrochen, und sie werden uns auch jetzt nicht brechen.»