Jan Egeland: Deutsche Botschaft in Kabul wieder öffnen
NRC-Generalsekretär Jan Egeland fordert eine Rückkehr des westlichen Engagements in Afghanistan und kritisiert die Kürzung der Hilfen.
Der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC), Jan Egeland, fordert eine Rückkehr des westlichen Engagements in Afghanistan. «Die deutsche Botschaft sollte wiedereröffnet werden», sagte Egeland bei einer Reise in Afghanistan der Deutschen Presse-Agentur.
Einer politischen Anerkennung der Taliban-Regierung käme das nicht gleich: «Eine Botschaft in Kabul erkennt Afghanistan an, nicht das aktuelle Regime. Und es ist ein strategisch wichtiger Ort», sagte der Generalsekretär.
«Kommen Sie zurück, arbeiten Sie mit uns und kämpfen Sie mit uns für die Rechte von Frauen und Mädchen. Das ist mein Appell an deutsche Diplomaten und Politiker», sagte Egeland weiter. Er beklagte, dass westliche Länder, darunter Deutschland, ihre Hilfen für Afghanistan in den vergangenen Jahren stark reduziert haben. Er verwies zudem auf eine 90-tägige Aussetzung humanitärer Hilfe durch US-Präsident Donald Trump.
Krise um Finanzierungslücken
«Das geschieht zu einer Zeit, in der die humanitäre Hilfe bereits überfordert und unterfinanziert ist», sagte Egeland. Die Arbeit humanitärer Organisationen sei jahrelang ausgehungert worden. «Wir haben keinerlei Reserven mehr». Deutschland hat laut dem Entwicklungsministerium im Jahr 2023 rund 261 Millionen Euro Unterstützung für Afghanistan bereitgestellt, deutlich weniger als die 527 Millionen Euro im Jahr 2022. Damit gehört Deutschland weiterhin zu den wichtigsten Geberländern.
Nach der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 betrug die koordinierte internationale Hilfe im Folgejahr mehr als 3,3 Milliarden US-Dollar, sank jedoch laut UN-Nothilfebüro Ocha im Jahr 2024 auf weniger als 1,6 Milliarden US-Dollar. Die dramatische Konsequenz sei, dass Frauen und Mädchen in Afghanistan direkt unter dem Wegfall dieser lebensnotwendigen Unterstützung leiden.
Die Auswirkungen auf Frauen und Mädchen
«Ich kann nicht ausdrücken, wie wütend es mich macht, dass Länder ihre Hilfe kürzen, weil sie dies als eine Geste der Solidarität gegen die drakonische Diskriminierung von Frauen durch die Taliban-Regierung betrachten», kritisierte Egeland. «Doch genau diese Geberländer sind jetzt der Hauptgrund dafür, dass wir weibliche Hilfskräfte entlassen und Programme für Frauen und Mädchen kürzen müssen».
Bislang hat kein Land der Welt die Taliban-Regierung offiziell anerkannt. Die Islamisten hatten bei ihrer erneuten Machtübernahme im August versprochen, moderater zu regieren, doch ihre Herrschaft hat sich mittlerweile zu einem autoritären System verfestigt. Besonders wegen der drastischen Einschränkungen der Frauenrechte stehen sie international in der Kritik.
Die Rolle der Nachbarländer
Vor allem Nachbarländer, etwa China oder der Iran, haben jedoch pragmatische Wege der Zusammenarbeit gefunden. Die Hilfsorganisation NRC ist seit 2003 in Afghanistan aktiv und beschäftigt derzeit fast 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort.
Die Taliban hatten Nichtregierungsorganisationen im Dezember 2022 eigentlich verboten, Frauen zu beschäftigen. In der Praxis sind Helfer auf weibliche Angestellte angewiesen, wie bei der Unterstützung von Frauen und Kindern – eine Praxis die von den Taliban stillschweigend geduldet wird. Die humanitäre Lage im Land gilt als äusserst prekär.