Vom rätselhaften Machthaber zum internationalen Staatsmann: Kim Jong Un hat mit seinem Annäherungskurs zur Aussenwelt viele überrascht. Doch bis zu welchem Grad treibt er auch eine Öffnung nach innen voran.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un während der Neujahrsansprache. Foto: KCNA/dpa
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un während der Neujahrsansprache. Foto: KCNA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Seoul (dpa) - Die Fremdwahrnehmung Kim Jong Uns durchläuft derzeit eine überraschende Wandlung.
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US-Präsident Donald Trump bezeichnete den nordkoreanischen Machthaber schon einmal als verrückt, die meisten Südkoreanern halten ihn für unberechenbar, und Chinas Jugend verspottete ihn trotz aller Berichte über Gräueltaten als Witzfigur.

Kim haftete das Image des bösen Buben der internationalen Politik an, der mit Atomwaffen droht, unablässig Raketen testet, zuhause politische Säuberungen durchführt, vor der Hinrichtung seines eigenen Onkels - einem potenziellen Rivalen - nicht zurückschreckt und mutmasslich auch den Mord an seinem älteren Halbbruder in Auftrag gegeben hat.  

Nach jahrelanger Isolation zeigt sich Kim, der nach unterschiedlichen Angaben 34 oder 35 Jahre ist, nun als internationaler Staatsmann, der die politische Weltbühne betritt. Seinen ersten Auslandsbesuch seit dem Machtantritt Ende 2011 machte Kim im April dieses Jahres beim grossen Nachbarn China. Ein zweiter China-Besuch folgte Anfang Mai in Dalian. 

Dazwischen lag Ende April das als historisch gewertete Gipfeltreffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In. Erstmals setzte dabei ein Machthaber Nordkoreas seinen Fuss auf südkoreanischen Boden. 

In Erinnerung bleibt der Händedruck beider Männer an der innerkoreanischen Grenze und ihr freundliches Lächeln. Als Moon den nordkoreanischen Machthaber Ende Mai überraschend das zweite Mal trifft, zieht er später den Vergleich zu einem «Routinetreffen zwischen Freunden». Die Treffen mit Moon haben Kim ein menschliches Antlitz gegeben. Einer Umfrage von Gallup Korea vom 1. Juni zufolge hatten mehr als 30 Prozent der Befragten in Südkorea ein freundlicheres Bild von Kim. Im März waren es noch zehn Prozent. 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat Kim vor kurzem für September nach Wladiwostok eingeladen. Der Sender BBC nennt Kim schon «The new kid on the diplomatic block» (Das neue Kind im diplomatischen Block) und einen «mächtigen Player». 

Die grösste diplomatische Bewährungsprobe steht Kim Jong Un bevor, wenn er Trump am 12. Juni in Singapur zum ersten Gipfel zwischen beiden Ländern trifft. Es ist eine Begegnung von grosser Tragweite für die gesamte Region, es geht um eine Lösung des Streits um das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm.

Der Atomstreit weitere sich zu einem der gefährlichsten Konflikte weltweit aus. Pjöngjang, das Washington eine feindselige Politik vorwirft, verfügt nach eigenen Angaben über Atomraketen, die das US-Festland erreichen können. Die nordkoreanische Führung sieht in ihrem Atomprogramm eine Art Überlebensgarantie sowie einen Faustpfand für Verhandlungen.

In Nordkorea hat sich Kim Jong Un vom Image seines öffentlichkeitsscheuen Vaters Kim Jong Il gelöst. Er zeigt sich gerne leutselig und volksnah, sei es lachend im Kreis von Soldaten und bei der Eröffnung von Vergnügungsparks in Pjöngjang oder interessiert bei Kulturveranstaltungen.

Kim Jong Un scheint den öffentlichen Auftritt und den Rummel zu suchen. Wer hätte das gedacht: Kim soll bis 1998 unter anderem Namen in der Schweiz eine internationale Schule besucht haben. Das Schweizer Wochenmagazin «L'Hebdo» berichtete 2010, seine Mitschüler hätten ihn als schüchtern und introvertiert beschrieben. 

Die Bilder jedoch, die die unerschöpfliche Propaganda-Maschinerie Nordkoreas von Kim in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat, sollen einen Machthaber zeigen, der allgegenwärtig ist und sich um die Menschen sorgt. Kim Jong Un hat nicht nur die Macht von seinem Vater übernommen, als dieser im Dezember 2011 starb, sondern gleich auch den Führerkult.

Auch ideologisch sah man den Sohn zunächst ganz in der Nachfolge seines Vaters. Auf dessen «Militär-zuerst»-Politik folgte die sogenannte «Byongjin»-Linie, die als ein Markenzeichen des Sohnes gilt. Sie sieht den Aufbau einer Atomstreitmacht und die parallele Belebung der maroden Wirtschaft vor.

Im April dieses Jahres kündigte Kim dann überraschend an, sein Land werde die Atomtests und Starts von Interkontinentalraketen aussetzen und sich von nun an voll auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren. Der Zugang der Bevölkerung zu Informationen von aussen wird unter Kim jedoch weiter streng kontrolliert, auch wenn sich der Machthaber selber den technologischen Fortschritt auf die Fahnen geschrieben hat. 

Vom Privatleben Kims ist wenig bekannt. Das gilt auch für seine Frau Ri Sol Ju, die aus einer privilegierten Familie stammen und früher als Sängerin aufgetreten sein soll. Der südkoreanische Geheimdienst vermutet, dass beide gemeinsam drei Kinder haben. 

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