Kirchen in Brand gesetzt: Über 100 Festnahmen in Pakistan
In Pakistan hat eine Menschenmenge ein christliches Viertel angegriffen und teilweise in Brand gesetzt. Über 100 Verdächtige wurden festgenommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Mittwoch überfiel eine wütende Menge ein christliches Viertel in Pakistan.
- Mehrere Kirchen, Wohnhäuser und Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt.
- Über 100 Verdächtige wurden festgenommen.
Nach dem Angriff auf ein christliches Viertel in einer pakistanischen Stadt haben die Behörden mehr als 100 mutmassliche Randalierer festgenommen. Tatverdächtige seien per Videoüberwachung identifiziert worden und insgesamt rund 600 Menschen müssten mit einer Anklage rechnen. Dies sagte ein lokaler Polizeibeamter am Donnerstag.
Am Mittwoch hatte eine wütende Menschenmenge in der Provinz Punjab mehrere Kirchen angegriffen.
Mindestens fünf Gotteshäuser, mehrere Wohngebäude und Dutzende von Autos und Motorrädern seien in der Stadt Jaranwala in Brand gesteckt worden. Dies berichtete ein örtlicher Gemeindeleiter. Die Behörden stationierten in der Stadt daraufhin paramilitärische Einheiten und verhängten eine Ausgangssperre.
«Es wird weitere Festnahmen geben. Es war ein Mob von mindestens 6000 Menschen verschiedener Gruppen», sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Blasphemie oder Privatstreit?
Hintergrund des Angriffs waren Blasphemievorwürfe. Berichten zufolge beschuldigte der Mob mindestens zwei Christen, den Koran – die heilige Schrift des Islams – entwürdigt zu haben.
Anführer der islamistischen Partei Tehreek-e Labbaik Pakistan (TLP) stachelten ihre Anhänger an und wüteten in einem christlichen Viertel der Stadt. Die Polizei ging am Donnerstag davon aus, dass die Vorwürfe konstruiert waren. Tatsächlich sei es mehr um einen Streit zwischen einem Ladenbesitzer und zwei jungen Christen gegangen.
Radikale Gruppe mobilisiert Massen
Die TLP ist eine islamistische Strömung, gegründet von radikalen Predigern im Jahr 2015. Die populistische Gruppe ist dafür bekannt, Menschenmassen mobilisieren zu können, vor allem im Zusammenhang mit Blasphemievorwürfen, aber etwa auch Mohammed-Karikaturen. Immer wieder riefen Anführer der TLP zu Gewalt auf. Zeitweise war die Partei in dem südasiatischen Land verboten.
Spitzenpolitiker in dem mehrheitlich muslimischen Land verurteilten die Ausschreitungen scharf. «Alle Strafverfolgungsbehörden wurden aufgefordert, die Schuldigen zu fassen und vor Gericht zu stellen.» Dies schrieb Pakistans Interims-Premierminister Anwarul Haq Kakar am Mittwoch auf der Online-Plattform X, vormals Twitter.
Sondereinheit soll Minderheiten schützen
In der Hauptstadt Islamabad wurde unterdessen eine Polizeieinheit zum Schutz religiöser Minderheiten ins Leben gerufen worden. 70 Beamte der Sondereinheit sollen künftig die Gemeinden religiöser Minderheiten schützen. Ob ähnliche Einheiten auch in anderen Landesteilen gebildet werden, war zunächst unklar.
In Pakistan gibt es immer wieder gibt es Fälle tödlicher Gewalt im Zuge von Blasphemievorwürfen. Gotteslästerung ist ein äusserst sensibles Thema in dem vorwiegend muslimischen Land. Die Gesetze sehen im äussersten Fall den Tod für die Beleidigung des Islams oder des Propheten Mohammed vor. Wer dessen beschuldigt wird, gerät oft schon vor einer Verurteilung ins Visier von Extremisten.