Kritik an Unregelmässigkeiten bei Regionalwahl in Russland
In Russland fanden von Freitag bis heute mehr als 9000 verschiedene Wahlen statt. Bei vielen Wahlbeobachtern gingen Meldungen zu Wahlbetrug ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Wochenende fanden in Russland mehr als 9000 verschiedene Wahlen statt.
- Bei unabhängigen Gruppen gingen über 1000 Meldung über Wahlfälschung ein.
- Die Abstimmungen waren stark von der Vergiftung von Nawalny geprägt.
Bei von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten Wahlen sind in Russland neue Gouverneure und Regionalparlamente bestimmt worden. Die Abstimmung gilt als wichtiger Stimmungstest für die Parlamentswahl im nächsten Jahr. Sie stand unter dem Eindruck der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny. Die unabhängige Wahlbeobachtergruppe Golos sprach von mehr als 1000 Meldungen über mögliche Regelverstösse bei der Stimmabgabe.
Macht bis 2036 mit Verfassungsänderung
Mit aussagekräftigen Ergebnissen, auch zum mit Spannung erwarteten Abschneiden der Kremlpartei Geeintes Russland, wird erst am Montag gerechnet. Es war die erste Wahl seit dem umstrittenen Referendum über eine neue Verfassung. Diese soll Kremlchef Wladimir Putin deutlich mehr Befugnisse geben und ihm den Verbleib an der Macht bis 2036 ermöglichen.
Nicht wenige Menschen im Land sind unzufrieden aufgrund der wirtschaftlichen Lage in Russland. Zumal die Arbeitslosenzahl infolge der Corona-Krise nochmals gestiegen ist. Im Osten des Landes gehen zudem jede Woche Tausende Menschen gegen einen zu grossen Einfluss Moskaus auf die Strasse.
Kritiker befürchten Wahlbetrug
Landesweit gab es mehr als 9000 verschiedene Wahlen auf unterschiedlichen Ebenen. Für die Regierungspartei besonders wichtig waren die Abstimmungen über neue Gouverneure in 18 Gebieten. Diese tragen die Politik des Kremls in die Regionen.
In 22 Städten standen zudem Stadtratswahlen an. Die Wahlbeteiligung war lokalen Wahlkommissionen zufolge unterschiedlich und lag meist bei mehr als 50 Prozent.
Die Abstimmung hatte in vielen Wahllokalen bereits am Freitag begonnen. Damit wollte die Wahlkommission nach eigenen Angaben das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus verringern. Kritiker befürchteten aber ähnlich wie bei vorangegangen Wahlen Manipulationen, weil eine Kontrolle über drei Tage hinweg schwierig sei.
Die Wahlbeobachtungsgruppe Golos sprach von «demonstrativer Missachtung des Gesetzes» bei einigen Wahlkommissionen. So etwas habe es in den vergangenen vier Jahren nicht gegeben. Es seien Hinweise auf bewusste Fälschungen eingegangen.
Die Organisation beklagte auch Gewalt gegenüber Wahlbeobachtern. «Es gibt Berichte über Wahlzwang und Bestechung aus vielen Regionen», hiess es.
Das Innenministerium erhielt der Agentur Interfax zufolge seit Beginn des Wahlkampfes mehr als 2500 Hinweise auf mögliche Unregelmässigkeiten. Schwerwiegende Verstösse seien darunter aber nicht gewesen.
Russland weist Nawalny-Vergiftung zurück
Die Opposition musste bei den diesjährigen Regionalwahlen auf ihren Anführer Nawalny verzichten. Diese wird seit mittlerweile drei Wochen in Berlin behandelt und lag zeitweise im künstlichen Koma. Die Bundesregierung sieht es nach einer Untersuchung eines Speziallabors für erwiesen an, dass der 44-Jährige mit einem Nervenkampfstoff vergiftet wurde. Russland weist jegliche Verwicklung in den Fall zurück.
Nawalnys Team hatte die Wähler aufgerufen, für beliebige Kandidaten zu stimmen. Nur nicht für die regierende Kremlpartei Geeintes Russland, um deren Macht zu brechen. Diese Strategie war schon zuletzt unerwartet erfolgreich.
Vor der Wahl hatte es Angriffe auf Anhänger des Oppositionspolitikers gegeben. Sein Team veröffentlichte Bilder von Wahllokalen in ländlichen Regionen in Bushaltestellen, im Kofferraum von Autos und auf einer Wiese.
Menschen wählen Opposition aus Protest
Es war nicht ausgeschlossen worden, dass es in einigen Regionen zu einer Stichwahl kommen wird. Dies, weil die Menschen entweder aus Protest die Opposition wählten oder der Kreml-Kandidat als schwach galt.
Unterdessen kritisierte die Ukraine die Abstimmung auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Man werde die Ergebnisse nicht anerkennen, teilte das Aussenministerium auf Twitter mit. «Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, die illegalen Handlungen Russlands zu verurteilen.»