Nordkorea will wieder Militärübungen an Grenze durchführen
Pjöngjang stösst fast täglich neue Drohungen gegen Südkorea aus. Jetzt legt die Armeeführung des Landes nach. An der Grenze will Nordkorea wieder Schiessübungen durchführen.
Das Wichtigste in Kürze
- Trotz Warnungen und Beschwichtigungsversuchen Südkoreas setzt Nordkorea seinen Konfrontationskurs gegenüber dem Nachbarn fort.
Einen Tag nach der Sprengung eines innerkoreanischen Verbindungsbüros kündigte Nordkoreas Armeeführung am Mittwoch an, «jede Art von regulären Militärübungen» nahe der Grenze wieder aufnehmen und Soldaten in die ehemals gemeinsam genutzten Industrie- und Tourismusgebiete verlegen zu wollen. Ein Angebot Seouls für klärende Gespräche schlug Pjöngjang aus.
Den Plänen Nordkoreas zufolge sollen zudem bereits zurückgezogene Wachposten in der militärischen Pufferzone zwischen beiden Ländern wieder aufgestellt und Flugblattaktionen gegen Südkorea gestartet werden. Das wegen seines Atomwaffenprogramms isolierte Land hatte zuvor mit solchen Schritten gedroht. Die Aktionspläne müssten noch im Detail ausgearbeitet und von der zentralen Militärkommission der Arbeiterpartei gebilligt werden, wurde jetzt der Generalstab der Volksarmee von den Staatsmedien zitiert.
Durch die Umsetzung der angedrohten militärischen Schritte würde Nordkorea bilaterale Vereinbarungen von 2018 über vertrauensbildende Massnahmen unterlaufen. Damals hatten sich beide Staaten unter anderem auf die Einstellung von Schiessübungen an der Grenze und die Zerstörung von Kontrollposten innerhalb der demilitarisierten Zone geeinigt. Die koreanische Halbinsel befindet sich völkerrechtlich seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch immer im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag zwischen den einstigen Kriegsparteien wurde bis heute nicht geschlossen.
Die Pläne Nordkoreas sehen vor, Einheiten in Regimentsstärke in den Industriepark der Grenzstadt Kaesong sowie in das Erholungsgebiet am Kumgang-Gebirge an der Ostküste zu schicken. Der Industriekomplex ist seit 2016 schon nicht mehr in Betrieb. Touristische Reisen von Südkoreanern in das Diamanten-Gebirge in Nordkorea sind seit 2008 nicht mehr möglich.
Hintergrund der derzeitigen Spannungen ist die Verärgerung Pjöngjangs über eine neue Propagandaflugblatt-Aktion in Südkorea. Dabei hatten Ende Mai südkoreanische Aktivisten und nordkoreanische Flüchtlinge an der Grenze in grosse Ballons verpackte Flugblätter mit Kritik an der autokratischen Führung in Pjöngjang in Richtung Norden losgeschickt. Nordkorea fühlt sich durch diese häufig unternommenen Aktionen provoziert. Der Regierung in Seoul wird vorgeworfen, die Kampagne zu tolerieren. Die Kommunikationskanäle zu Südkorea hatte Nordkorea zuletzt bereits gekappt. Nach der Zerstörung des Verbindungsbüros in Kaesong am Dienstag hatte Südkorea das abgeschottete Nachbarland vor weiteren Schritten gewarnt, die die Situation verschärfen würden.
Das Angebot der Regierung des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, Sondergesandte für eine Deeskalationsmission zu schicken, lehnte die kommunistische Führung jetzt nach eigenen Angaben ab. Die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong Un, Kim Yo Jong, warf der südkoreanischen Seite am Mittwoch in einer Erklärung vor, einen «taktlosen und dunklen Vorschlag» gemacht zu haben. Südkorea müsse erst die «Worte und das Verhalten solcher Dummköpfe kontrollieren, die uns weiter provozieren», sagte Kim in Anspielung auf die Flugblattkampagne.
Südkoreas Präsidialamt reagierte verärgert. Zum einen warf es Kim vor, «rüde» und «sinnlose» Äusserungen zu machen. Zum anderen wurde Nordkorea dafür kritisiert, den nicht öffentlich gemachten Vorschlag über die Sondergesandten einseitig offenbart zu haben.
Die Spannungen bedeuten einen grossen Rückschlag für die Annäherungspolitik des südkoreanischen Präsidenten. Das Vorgehen Pjöngjangs hat bei den Menschen in Südkorea Verunsicherung und die Furcht vor einer weiteren Eskalation ausgelöst. Beobachter vermuten, dass Nordkorea auch versuchen könnte, seinen Forderungen nach einer Lockerung der internationalen Sanktionen Nachdruck zu verleihen und den USA und Südkorea Konzessionen abzuringen. «Meine Vermutung ist, dass es verärgert darüber ist, wie wenig in den vergangenen Jahren bei den grossen Gesprächen mit Trump und Südkorea (Moon) über einen Durchbruch herausgekommen ist», schreibt der Experte Robert Kelly von der Nationaluniversität Pusan auf Twitter.
Seit dem gescheiterten Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und den USA im Februar 2019 in Vietnam stecken nicht nur die Atomverhandlungen zwischen diesen beiden Ländern fest. Auch die innerkoreanischen Beziehungen kommen seitdem nicht mehr voran.