Nsawya FM: Saudi-Arabisches Feministinnen-Radio

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Saudi-Arabien,

Von einem geheimen Standort und unter Gefahr sprechen saudi-arabische Frauen über Unterdrückung, Gewalt und alles, was in ihrem Land sonst noch schief läuft.

Mit Nsawya FM bekommt die schweigende Mehrheit in Saudi-Arabien eine Stimme.
Mit Nsawya FM bekommt die schweigende Mehrheit in Saudi-Arabien eine Stimme. - Twitter

Das Wichtigste in Kürze

  • Nsawya FM wurde Anfang August von saudi-arabischen Frauen gegründet.
  • Von einem geheimen Standort aus senden die Frauen Berichte gegen die Frauen-Unterdrückung.
  • Vor wenigen Tagen hat Saudi-Arabien den Link im Land selber allerdings blockiert.

Im Dezember 2010 begann eine Reihe von Protesten, Demonstrationen und Revolutionsbestrebungen die arabische Welt umzukrempeln. Analog des Prager Frühlings sprachen besonders westliche Medien vom «Arabischen Frühling».

Autoritäre Regime sollten gestürzt, islamische Zwänge gelockert und die Menschenrechtslage in den betroffenen Ländern verbessert werden. Mittlerweile haben die Vorzeichen des Arabischen Frühling sich ins Gegenteil verkehrt. Statt Demokratie, Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit, brachte der Arabische Frühling allerdings Bürgerkrieg, Terror und keine Umwälzungen in Sachen Liberalität.

Die Frauen verstummen nicht

Eine Bewegung allerdings hat sich seit 2010 zwar langsam aber stetig zu formen begonnen: Der arabische Feminismus. Am 24. Juni 2018 bekam die erste saudi-arabische Frau einen Führerschein. Im Oktober des vergangenen Jahres erliess Kronprinz Mohammed ein neues Gesetz, dass Frauen den Zugang zu Sportstadien erlaubt. Gleichzeitig werden allerdings immer wieder feministische Aktivistinnen festgenommen.

Umso mutiger ist das Unternehmen einer kleinen Gruppe von saudi-arabischen Aktivistinnen: Sie haben ein feministisches Online-Radio gegründet.

«Nsawya FM» – das arabische Feminismus-Radio

Am 27. Juli kündete ein Post auf Twitter das Unternehmen an: «Die Station Nsawya FM (Arabisch für «Feminismus FM) kündigt an, dass es sich um eine wöchentliche Sendung handelt, die direkt von einer Welt Radio-Sendeseite (Mixlr.com) sendet und den feministischen Kanal leitet, der umfassend zu allen Themen und Aspekten des Lebens berichtet. Unser Ziel ist es, die Stimme der schweigenden Mehrheit zu sein und allen die Möglichkeit zu geben, direkt mit ihren Meinungen, Ideen, Kritiken, Artikeln und Gedichten teilzunehmen».

Nsawya FM ist auf Mixlr.com zu hören und auf Twitter zu lesen. Es sei denn, die Behörden versuchen gerade wieder, einen der Kanäle zu sperren.
Nsawya FM ist auf Mixlr.com zu hören und auf Twitter zu lesen. Es sei denn, die Behörden versuchen gerade wieder, einen der Kanäle zu sperren. - Twitter

Die Tonqualität der Sendungen, in deren Hintergrund melancholisch-klassische Musik plätschert, ist schlecht und zeugt von den rudimentären Mitteln, mit denen die Frauen operieren. Ein Tonstudio? Unmöglich. Ein Mikrofon, ein Laptop und ein Internetzugang müssen reichen. Die Redaktorinnen und mutige Hörerinnen schicken ihre Beiträge als Tondatei per Mail an «Nsawya FM».

Sendung von unbekanntem Standort

Zwei Moderatorinnen und neuen freiwillige Redaktorinnen sammeln die Beiträge und produzieren eigene Sendungen – vornehmlich mit Inhalten zu Gewalt und Unterdrückung der Frauen in Saudi-Arabien. Gesendet wird von einem unbekannten Standort aus. Zu gross ist die Angst vor Repressionen. Nur Tage nach dem ersten Tweet von «Nsawya FM» waren zwei weitere saudi-arabische Feministinnen festgenommen worden.

«Wir begannen dieses Projekt, um diese Phase in der Geschichte zu archivieren, damit die Leute wissen, dass wir real sind, dass wir existieren», sagt eine der beiden Moderatorinnen in einem Interview mit BBC. Die 27-Jährige arbeitet unter dem Pseudonym «Ashtar». Obwohl sie selber nicht in Saudi-Arabien lebt, fürchtet sie Verfolgung und Strafe.

Saudische Regierung sperrt den Kanal

Die Angst ist berechtigt, bestätigt Amnesty International, dass Saudi-Arabien noch weit weg von einem tatsächlichen Gesinnungswandel und der Einhaltung der Menschenrechte ist

Die Feministinnen sind der Regierung ein Dorn im Auge. Minuten bevor eine Sendung über Mobbing über den Äther gehen sollte, sperrten die saudischen Behörden das Online-Radio «Nsawya FM» kurzerhand. Bei Twitter ging zudem eine offizielle Anfrage zur Sperrung des gleichnamigen Accounts ein. Er wurde kurzzeitig gesperrt, ist nun aber wieder frei zugänglich.

«Wovor habt ihr Angst?», twittern die Frauen Richtung Behörden.

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