Peruanisches Parlament stimmt für Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Vizcarra
Das peruanische Parlament hat am Freitag für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Martín Vizcarra wegen einer mutmasslichen Korruptionsaffäre gestimmt.
Das Wichtigste in Kürze
- Demonstrationsmärsche für im Volk beliebten Staatschef.
Für den Antrag wegen «moralischer Unfähigkeit» votierten 65 Abgeordnete - bereits 52 Stimmen hätten ausgereicht. Das Verfahren beginnt bereits kommende Woche. Der im Volk beliebte Präsident hatte am Donnerstag bei einer Fernsehansprache noch gesagt, er «werde nicht zurücktreten» oder «davonlaufen».
Bei der Abstimmung votierten 65 Abgeordnete für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens, 36 waren dagegen und 24 enthielten sich. Ihnen waren zuvor Audio-Aufnahmen präsentiert worden, die nahelegen, dass der parteilose und reformorientierte Vizcarra Zeugen in einem Fall von mutmasslicher Vetternwirtschaft beeinflusst haben könnte, der die Regierung betrifft.
Vizcarra hält die Vorwürfe gegen ihn nicht für ausreichend für eine Amtsenthebung. Am kommenden Freitag wird er sich vor dem Parlament verteidigen. Darauf folgt bereits die Abstimmung über die Absetzung des Präsidenten. Dafür wären die Stimmen von 87 Abgeordneten nötig - also nochmals deutlich mehr, als jetzt für die Einleitung des Verfahrens stimmten.
Der 57-jährige Vizcarra war vor zwei Jahren mit dem Ziel angetreten, die weit verbreitete Korruption in dem südamerikanischen Land zu bekämpfen. Bislang genoss er ausserdem die Unterstützung des Volkes für seine Unnachgiebigkeit gegenüber dem Parlament - im Gegensatz zu seinen vier Vorgängern, die mit dem Gesetz in Konflikt standen.
In mehreren Stadtvierteln der Hauptstadt Lima gab es am Freitagabend zur Unterstützung des Staatsoberhauptes Demonstrationsmärsche, zu denen in Onlinenetzwerken aufgerufen wurde.
In dem Fall, der Vizcarra das Amt kosten könnte, geht es um den relativ unbekannten Sänger Richard Cisneros. Im Mai hatten Medien berichtet, dass die Regierung ihm inmitten der Corona-Krise Verträge als Redner und Unterhalter für tausende Dollar gegeben haben soll. Vizcarra soll Mitarbeiter dazu gedrängt haben, in dem Fall falsch auszusagen.
Die Affäre schlägt just zu einem Zeitpunkt hohe Wellen, zu dem die Abgeordneten sich gegen eine von der Regierung gewünschte Reform gestellt haben, die strafrechtlich Verurteilte von der Kandidatur bei Wahlen ausschliesst.
Sollte es zur Amtsenthebung kommen, wird Parlamentspräsident Manuel Merino bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Juli 2021 als Interimspräsident die Geschäfte leiten. «Die Absetzung des Präsidenten könnte sich unter diesen Umständen, sieben Monate vor den Parlamentswahlen, als sehr riskant erweisen», warnte der Politologe Fernando Rospigliosi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP angesichts der durch die Corona-Pandemie ausgelösten schweren Gesundheits- und Wirtschaftskrise im Land.
Peru zählt zu den weltweit am schwersten von der Corona-Pandemie getroffenen Ländern. Die Behörden haben bisher mehr als 710.000 Corona-Infektionen und mehr als 30.000 Tote registriert.