Präsidentschaftskandidat im Iran kritisiert Kopftuchpolitik
Moderater Präsidentschaftskandidat Massud Peseschkian kritisiert das repressive Vorgehen gegen Kopftuchverstösse im Iran.
Im Iran hat der moderate Präsidentschaftskandidat Massud Peseschkian vorsichtige Kritik am repressiven Vorgehen gegen die zahlreichen Kopftuchverstösse geäussert. Heute würden Frauen dafür bestraft werden, weil ihre Kleidung nicht den Vorschriften entsprechen. Dies sagte der früherer Gesundheitsminister (2001–2005) in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Zeitung «Hammihan».
«Waren wir schuld, weil wir sie nicht richtig erzogen haben, oder sind sie schuld?» Nun bestrafe man die Frauen, sagte er weiter und fügte hinzu: «Wir sind schuld und müssen das Problem selbst lösen.» Immer mehr Iranerinnen ignorieren heute bewusst die strengen Kleidungsvorschriften. Religiöse Hardliner versuchen dagegen anzukämpfen, ein neues Gesetz sieht drakonische Strafen vor.
Gegenwind für religiöse Hardliner
Die Reform wurde bereits vom Parlament verabschiedet, ist aber noch nicht in Kraft getreten. Die Polizei war im April verstärkt gegen Verstösse vorgegangen. Proteste und Spannungen entstünden aus Ungerechtigkeit, sagte Peseschkian.
«Wenn die Rechte der Menschen missachtet werden, protestieren sie. Man kann nicht das Recht einer Person missachten und ihr sagen, sie solle schweigen», sagte der 69-Jährige. «Wenn wir das verstehen und in der Gesellschaft umsetzen, können wir die Probleme lösen.» Irans Wächterrat, ein mächtiges Kontrollgremium, hatte am Sonntag über das Kandidatenfeld entschieden.
Präsidentschaftswahl im Iran
Für die Präsidentschaftswahl am 28. Juni dürfen nun sechs Politiker antreten. Unter den konservativen Kräften gelten Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf und Said Dschalili, früherer Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen, als aussichtsreichste Kandidaten. Die Neuwahl folgt auf den Tod von Präsident Ebrahim Raisi, der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam.
Viele Menschen im Iran sind angesichts politischer Repression, einer Wirtschaftskrise und der gescheiterten Reformversuche in den vergangenen Jahrzehnten desillusioniert. Sie haben den Glauben an grosse innenpolitische Veränderungen verloren. Im Herbst 2022 entfachten sich nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem. Die Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Parlamentswahl erreichte ein Rekordtief von rund 40 Prozent.