Soziale Medien kurbeln Schwarzmarkt für geschmuggelte Pflanzen an
Das Wichtigste in Kürze
- Wenige Wochen später werden Schmuggler in Südafrika mit der gefährdeten Pflanzenart geschnappt.
Ihr Handel ist verboten.
«Uns erreicht fast täglich ein neuer Bericht über Pflanzenwilderei», klagt Pieter van Wyk, 33, ein Botaniker, der eng mit dem Südafrikanischen Institut für Biodiversität (Sanbi) zusammenarbeitet. In Südafrika sind fast ein Drittel aller sukkulenten Pflanzen der Welt zu finden. Vielen von ihnen stehen unter Naturschutz.
Angekurbelt von sozialen Medien habe der illegale Pflanzenhandel Ausmasse ähnlich der Nashornwilderei angenommen, mit internationalen kriminellen Netzwerken als Strippenzieher, erklärt van Wyk. Der Hashtag #PlantTikTok verzeichnet 3,5 Milliarden Aufrufe, während es bei Instagram 12,3 Millionen Einträge mit dem Hashtag #Succulents gibt. Dabei geht es um Pflanzenliebe, -pflege und hübsche Bilder, aber eben auch um den Verkauf, der oftmals illegal ist.
Je bedrohter eine Pflanze, desto höher die Nachfrage und somit der Preis. Eine Pflanze, die vor zwei Jahren noch umgerechnet 1 Euro gekostet habe, werde inzwischen für 1700 Euro gehandelt, so der Botaniker. «Es ist fast wie bei Bitcoin, ein künstlich geschaffener Markt, der unverhältnismässige Masse angenommen hat», meint van Wyk. Die oft in hübschen geometrischen Mustern oder ungewöhnlichen Formen wachsenden Sukkulente - auch Fettpflanzen genannt - seien vor allem in Asien, Europa und Nordamerika begehrt.
Forscher der Königlichen Botanischen Gärten in Kew, England, entwickeln nun Algorithmen für künstliche Intelligenz, die helfen sollen, das Internet nach Informationen über den illegalen Handel mit gefährdeten Pflanzen zu durchforsten. Dabei will man mit einer Kombination aus botanischem Fachwissen, Kriminologie und Kommunikationstechnologie Online-Verhalten analysieren und Standorte von Wilderern und Käufern aufdecken.
Es ist ein Wettkampf mit der Zeit. Nicht nur in Südafrika richten Pflanzenschmuggler grossen Schaden an. Auch in Lateinamerika wächst der Trend. In Chile hat sich der illegale Handel mit besonders seltenen Kakteen zu einem der lukrativsten kriminellen Geschäftsfelder entwickelt. «Damit werden pro Jahr zwischen fünf und 23 Milliarden US-Dollar umgesetzt», erklärt Botaniker Pablo Guerrero von der Universität in Concepción. Für Sammler sei es besonders attraktiv, Kakteen zu besitzen, die es nur in einer bestimmten Region gibt, sagte der Direktor der Forstbehörde von Antofagasta, Cristian Salas, im chilenischen Fernsehsender T13.
Vor einem Jahr entdeckten Polizisten bei einer Razzia in der italienischen Provinz Ancona Kakteen aus der chilenischen Atacama-Wüste. «Es wurden ungefähr 1000 Pflanzen beschlagnahmt, wovon manche für 2000 bis 5000 Dollar je Pflanze verkauft wurden», sagte Simone Checchini von den Carabinieri. Bei den meisten beschlagnahmten Pflanzen handelte es sich um Kakteen der Gattung Copiapoa, die nur in dieser extrem trockenen Wüste vorkommen. «Diese Region wurde in den vergangenen Jahren von illegalen Sammlern stark geplündert, was zum raschen Rückgang der Populationen dieser Arten ... beigetragen hat», hiess es in einer Mitteilung der Weltnaturschutzunion (IUCN).
Auch Mexiko ist vom Kakteen-Schmuggel schwer betroffen. Insgesamt sind dort nach Angaben der lokalen Umweltbehörden 518 der etwa 1400 weltweit existierenden Arten endemisch, also in einem begrenzten Gebiet verbreitet. Die Riesenkakteen der Sonora-Wüste und der Nopal (Feigenkaktus) mit roten Früchten - er findet sich auch auf der Flagge des Landes - sind wohl die bekanntesten Arten aus Mexiko. Doch eine Vielzahl anderer Kakteen sind bei Sammlern gefragt. Der illegale Pflanzenhandel sei allerdings ein «stilles Problem», dessen Bedeutung oft übersehen werde, schrieb die Organisation InSight Crime in einer Analyse.
In der als Unesco Weltkulturerbe eingestuften südwestlichen Cape Floral Region Südafrikas sowie im für seine Pflanzenvielfalt berühmten Namaqualand Distrikt weiter nördlich wachsen Dutzende Arten, die weltweit einmalig nur auf wenigen Quadratmetern gedeihen. Schmuggler können die Gewächse mit wenigen Spatenhieben ausrotten. Im Vorjahr konfiszierten Behörden nach Angaben von Cape Nature beispielsweise fast 150 Kilo einer als «fast gefährdet» eingestuften Pflanze. «Was wir im Moment sehen, ist der schnelle und vollständige Verlust ganzer Arten», warnt van Wyk.
In Namaqualand schnappte die Falle Mitte 2020 zu. Die Polizei ertappte vier Wilderer auf frischer Tat. Sie wollten am Rand einer Landstrasse geschützte Pflanzen im Wert von umgerechnet 112 000 Euro verschachern. Die Pflanzen wurden konfisziert, doch einmal aus der Erde gerupft, können die empfindlichen Gewächse nur noch in botanischen Baumschulen, gepflegt von geschultem Personal, überleben. «Das ist die grosse Tragödie», sagte Polizeihauptmann Karel du Toit, der eine Spezialeinheit für Pflanzenschmuggel leitet, dem Radiosender Cape Talk. «Für die freie Natur sind sie für immer verloren.»