«Todes-Maschinerie»: Immer mehr Massengräber in Syrien gefunden
Nach dem Fall des Assad-Regimes in Syrien werden zahlreiche Massengräber gefunden. Angehörige suchen verzweifelt nach ihren Familienmitgliedern.
![Massengrab Syrien Leichen Assad](https://c.nau.ch/i/KWOJaB/900/massengrab-syrien-leichen-assad.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Zehntausende Gefangene des Assad-Regimes konnten befreit werden.
- Zehntausende werden aber noch immer vermisst.
- Die meisten befinden sich wahrscheinlich in einem der zahlreichen Massengräber Assads.
- Die Identifizierung der Leichen wird aber keine einfache Aufgabe sein.
Zehntausende Menschen konnten nach dem Sturz von Assad aus den syrischen Gefängnissen befreit werden. Doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs – der «Todes-Maschinerie» des Assad-Regimes, wie sie Ermittler nennen.
Über 150'000 Menschen sollen insgesamt in Assads Gefängnissen verschwunden sein. Zehntausende werden demnach noch immer vermisst.
Die meisten dürften wohl nicht mehr lebend aufgefunden werden. Mit dem Aufdecken mutmasslicher Massengräber werden manche Familien aber wohl immerhin etwas Aufklärung erhalten, wie «n-tv» berichtet.
«Unglaublich»
Die Aufnahmen der Gräber sind verstörend: Einzelne Skelettstücke liegen an der Oberfläche – so etwa auf einem Feld südlich von Damaskus. Satellitenbilder von vermuteten Massengräbern zeigen Grabungsarbeiten. An anderen Orten wurden bereits erste Leichen geborgen und liegen Seite an Seite in Plastiksäcken auf der brachen Erde.
«Es ist so unglaublich, dass dies im 21. Jahrhundert geschieht», sagt Stephen Rapp, US-Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen.
Identifizieren der Leichen ist «gewaltige Aufgabe»
Die Aufarbeitung dürfte aber noch etwas dauern. Bisher sind bereits Berichte über mindestens 13 Massengräber bei der syrischen Such- und Rettungsorganisation «Weisshelme» eingegangen.
Die Leichen zu identifizieren sei eine «gewaltige Aufgabe», sagt Munir al-Mustafa von den Weisshelmen gegenüber «n-tv». Man müsse die Leichen dokumentieren, Proben entnehmen und mit Codes versehen. Rapp spricht von einer Zeitdauer von mehr als zwei Jahren, bis alle Bestatteten identifiziert sein werden.
Zuerst wolle man sich nun den Todesopfern widmen, deren Körper sich bereits in Leichenhallen von syrischen Spitälern befinden, sagt al-Mustafa. Heisst: Menschen, welche beispielsweise bei Kämpfen ums Leben kamen.
Brutale Todesursachen
Unterdessen machen sich viele Angehörige selbständig auf die Suche ihrer vermissten Familienmitglieder und Freunde. Im Dorf Israa in der südsyrischen Provinz Daraa begannen Anwohner und medizinische Teams bereits mit der Ausgrabung eines Massengrabs.
Die bereits freigelegten Leichen zeugen von brutalen Hinrichtungsmethoden: Mussa Al-Suebi von der Gesundheitsbehörde Israas berichtet von «Schüssen in den Kopf, in die Augen oder Tod durch Verbrennen».
Richtiges Vorgehen für einen Prozess
Rapp kann die Verzweiflung der Angehörigen nachvollziehen. Er warnt jedoch davor, selbständig Ausgrabungen durchzuführen: «Dies kann den Ermittlungen schaden.»
![Massengrab Leiche Syrien](https://c.nau.ch/i/BJ9Xpv/900/massengrab-leiche-syrien.jpg)
Es sei wichtig, dass es einen Prozess gebe. «Darüber werde ich mit den Regierungsvertretern sprechen», so Rapp.
Er will sowohl die Sicherung und Aushebung der Gräber als auch die Entnahme von Proben zur Identifizierung der Überreste diskutieren. Ausserdem soll die Aufbewahrung wichtiger Dokumente von Sicherheitsbehörden und Gefängnissen besprochen werden.
«Maschinerie des Todes»
Seit Jahren schon arbeitet Rapp in Zusammenarbeit mit zwei Organisationen: der «Commission for International Justice and Accountability» (Kommission für internationale Gerechtigkeit und Haftung) und der «Syria Emergency Task Force».
Mithilfe von Zeugenaussagen und Satellitenbildern wollen sie Massengräber dokumentieren und Vertreter des syrischen Staates identifizieren.
Nun sind die vermuteten Gräber frei zugänglich für die Ermittler. Dies ermöglicht, «wirklich zu bestätigen, was wir bereits wissen über die Maschinerie des Todes, die vom Assad-Regime unterhalten und betrieben wurde».