Papst stellt Nutzung von Atomenergie in Frage
Das Wichtigste in Kürze
- Papst Franziskus hat bei einem Treffen mit Opfern der Atomkatastrophe in Fukushima die Nutzung von Kernenergie in Frage gestellt.
In den japanischen Unglücksgebieten müsse der soziale Zusammenhalt wieder hergestellt werden, sagte der Pontifex in Tokio.
«Dies schliesst zugleich - wie (...) die Bischöfe Japans hervorgehoben haben - die Sorge über die fortdauernde Nutzung der Kernenergie mit ein.»
Zwar schloss sich der Papst dem Aufruf der Bischöfe zu einem Ausstieg aus der Atomenergie nicht an. In seiner Rede nahm er aber später Bezug auf Umweltfragen. Er sprach von «kühnen und wichtigen Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung der natürlichen Ressourcen und vor allem hinsichtlich der künftigen Energiequellen».
Bei dem Erdbeben und Tsunami kamen im März 2011 rund 18.500 Menschen um. Der Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima trieb 160.000 Bewohner der Region in die Flucht. Zehntausende können noch immer nicht zurück. Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986. Die deutsche Bundesregierung hatte nach Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Japan allerdings nicht.
«Radioaktives Material, das über ganz Ost-Japan gefallen ist, strahlt auch nach acht Jahren noch», erzählte das Opfer Matsuki Kamoshita aus Fukushima dem Papst. Er war bei dem Reaktorunfall acht Jahre alt. «Die Erwachsenen sind verantwortlich, uns alles über die radioaktive Verseuchung und deren mögliche Schäden für die Zukunft zu erklären, ohne etwas zu verbergen. Ich will nicht, dass sie vor uns sterben und uns angelogen haben oder die Wahrheit nicht zugegeben haben.»
Sein Bruder habe sich nach der Evakuierung nur weinend in sein Futon vergraben, sagte der Junge. Sein Vater sei physisch und psychisch krank geworden und könne nicht mehr arbeiten. Er selbst sei in der neuen Gegend gemobbt worden. «Jeder Tag war so schmerzhaft, dass ich sterben wollte.» Von der Regierung fühlt er sich im Stich gelassen.
Der Papst mahnte mehr Hilfe für die Opfer an. Einige Bewohner fühlten sich vergessen, obwohl sie weiter mit verseuchten Böden und Wäldern sowie den langfristigen Verstrahlungsfolgen leben müssten. «Möge dieses Treffen dazu dienen, (...) damit die Opfer dieser Tragödien weiter die Hilfe erhalten, die sie so sehr brauchen.»
Anschliessend traf der Pontifex den neuen japanischen Kaiser Naruhito - bei dem Gespräch soll es unter anderem um das Thema Kampf um Wasserressourcen gegangen sein. Ob Fukushima auch eine Rolle spielte, wurde nicht bekannt.
Der japanische Staat versucht, nach dem Desaster den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Der Wiederaufbau in der Katastrophenregion komme voran, heisst es, die Lage in der Atomruine sei unter Kontrolle, Lebensmittel aus Fukushima sicher. Man erlaubt Bewohnern einstiger Sperrzonen die Rückkehr in ihre Häuser, lockt ausländische Touristen an und wirbt für die Olympischen Spiele 2020, die die Erholung der Region demonstrieren sollen.
Zwar sind die Strahlenwerte in weiten Bereichen der Atomruine deutlich reduziert - trotzdem bestehen enorme Herausforderungen. Dazu gehört die Frage, was mit den gigantischen Massen an verstrahltem Wasser zur Kühlung der Reaktoren geschehen soll, der Platz für die riesigen Auffangtanks geht zur Neige. Es wird diskutiert, Teile des Wassers ins Meer abzuleiten - dagegen sträuben sich aber die Fischer.
Zugleich versucht Japan, weitere Reaktoren wieder hochzufahren. Bislang sind in dem hochgradig von Erdbeben und Vulkanen gefährdeten Inselreich neun Meiler wieder am Netz. Die grosse Mehrheit der Reaktoren steht jedoch weiterhin still, nachdem Japan in Folge der Atomkatastrophe zwischenzeitlich alle Reaktoren heruntergefahren und die Sicherheitsauflagen für Neustarts verschärft hatte. Es wird nach Schätzung des Betreiberkonzerns Tepco noch gut 30 Jahre dauern, bis die Ruine von Fukushima endgültig gesichert und stillgelegt ist.