Corona-Demos können nicht an Chinas Regime rütteln
In China sind Proteste gegen die Covid-Massnahmen und die regierende Partei entflammt. China-Experte Ralph Weber hält das für «bemerkenswert», aber...
Das Wichtigste in Kürze
- In China protestieren zahlreiche Menschen gegen das Corona-Regime und die Regierung.
- Experte Ralph Weber bezeichnet die Proteste als «bemerkenswert» und «wichtig».
- Dass sie aber einen echten Wandel bewirken könnten, sei unwahrscheinlich.
Es waren Szenen sondergleichen, die sich am Wochenende in China abspielten: In mehreren Städten des Milliardenstaats gingen Bürgerinnen und Bürger auf die Strasse und protestierten. Auslöser war ein Brand in der Stadt Urumtschi, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen. Sie konnten aufgrund der Covid-Massnahmen nicht hinaus flüchten.
Jahrelang konnte der Regimeapparat um Xi Jinping kritische Stimmen unterdrücken und auslöschen. Das versucht es auch jetzt: Der BBC-Reporter Ed Lawrence wurde laut eigenen Angaben von der Polizei in Schanghai festgenommen und geprügelt.
Auch der Schweizer RTS-Korrespondent Michael Peuker wurde verhaftet.
Trotzdem: Dass derart viele Menschen in China auf die Strasse gehen, ist ungewohnt. Was können die Proteste bewirken?
Nicht viel, glauben Experten. Die Forderung eines Regimewechsels bleibt wohl unerfüllt, sagt Ralph Weber zu Nau.ch.
Er ist Professor für European Global Studies an der Universität Basel. Weber hat sich unter anderem auf chinesische politische Philosophie und Politik spezialisiert.
Proteste sind «durchaus bemerkenswert»
«Die Proteste sind für das Regime ungemütlich», so Weber. Vor allem, weil sie sich «explizit gegen die Kommunistische Partei und gegen Xi Jinping gerichtet» hätten. «Zudem wissen die Protestierenden offenbar auch von den Ereignissen in anderen Teilen des Landes», so der Experte. «Das ist durchaus bemerkenswert.»
Aber: Die spontanen Proteste hätten «noch nicht die Qualität einer politischen Bewegung», auch wenn sie eine Eigendynamik entwickeln könnten. Im Angesicht der «starken Repression des Parteistaats und der hochtechnologisierten Überwachung» sei fraglich, ob sich eine politische Bewegung überhaupt formieren könnte.
Weber: «Dazu müssten sie sich noch viel stärker verbreiten, als das derzeit der Fall ist.»
Die Proteste seien zwar wichtig, so Ralph Weber weiter. «Aber es ist schwierig, sich vorzustellen, wie von ihnen ein langfristiger Wandel ausgehen könnte.» Denn der Parteistaat habe das Gewaltmonopol und scheue nicht vor Gewaltanwendung zurück.
Die Macht Xi Jinpings verhindere einen echten Wandel zusätzlich. Dieser sitze seit dem zwanzigsten Parteikongress «noch fester im Sattel», so Weber. «Innerhalb des Regimes ist seine Macht enorm stark.»
Was die Gewalt gegen Medienschaffende in China betrifft, dürfte diese auch schlimmer werden. Seit jeher würden Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit stark behindert, sagt Weber. Ihre Arbeit habe sich in den letzten Jahren zunehmend erschwert. «Es gibt derzeit keine Anzeichen, dass sich diese Tendenz in nächster Zeit ändern würde», sagt Weber.
Das hänge mit zwei Faktoren zusammen: Einerseits mit der autoritären Schliessung des chinesischen Parteistaats unter Xi Jinping; andererseits aber auch mit der «veränderten geopolitischen Konfliktlage».