Anteil der Rauchenden unter jungen Menschen in Deutschland steigt sprunghaft
Im Krisenjahr 2022 haben in Deutschland viel mehr Jugendliche zur Zigarette gegriffen als noch in Jahr zuvor.
Das Wichtigste in Kürze
- Zigaretten immer beliebter - Studie weist für 2022 Rekordwerte auf.
Der Anteil der Rauchenden im Alter zwischen 14 und 17 Jahren stieg im Jahresverlauf sprunghaft an und verdoppelte sich fast auf 15,9 Prozent, wie aus der am Donnerstag vorgelegten wissenschaftlichen Befragung über das Rauchverhalten (DEBRA) hervorgeht. Auch in den anderen Altersgruppen wurde trotz der weithin bekannten Gesundheitsrisiken wieder mehr geraucht.
Damit kehrte sich der Trend der vorangegangenen Jahre zu weniger Tabakkonsum um. Der Anstieg galt für klassische Tabakprodukte ebenso wie für E-Zigaretten und ähnliches. Die DEBRA-Studie wird seit 2016 regelmässig von Fachleuten der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erstellt. In allen Altersgruppen erreichte der Anteil der Raucher im aktuellen Jahr einen Höchstwert seit Beginn der Erhebung.
In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen stieg der Anteil der Rauchenden von 35,6 Prozent (2021) auf 40,8 Prozent (2022). In der Altersgruppe der über 25-Jährigen wuchs er von 30,8 Prozent (2021) auf 35,6 Prozent (2022). In der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen hatte der Anteil vergangenes Jahr noch bei 8,7 Prozent gelegen und stieg nun auf 15,9 Prozent – und dies, obwohl Minderjährigen der Erwerb und öffentliche Konsum von Tabak in Deutschland gesetzlich verboten ist.
Die Studienautoren zeigten sich besorgt über die Entwicklung, auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äusserte Sorge. Der Anstieg sei «erschreckend», sagte der Leiter der DEBRA-Studie, der Düsseldorfer Suchtexperte Daniel Kotz, dem «Spiegel», der zuerst über die Studie berichtet hatte. Gerade bei Jugendlichen könne Rauchen bewirken, dass die «Suchtgefahr fürs Leben extrem gross» sei.
Wissenschaftlich belastbare Befunde über die Gründe konnten die Autoren noch nicht präsentieren. Sie vermuteten aber, dass anhaltender Stress etwa durch Pandemie, Krieg und Energiekrise mehr Menschen zu Zigaretten greifen lässt.
Parallel zum Anstieg des Konsums sank die Bereitschaft der Rauchenden, sich den Tabakkonsum abzugewöhnen. In der aktuellen Studie berichteten nur acht Prozent der Befragten von Rauchstopp-Versuchen. Zu Beginn der Erhebung 2016 waren es noch rund 33 Prozent.
Die Studienergebnisse seien ein «sehr grosser Grund zur Sorge», sagte Gesundheitsminister Lauterbach dem «Spiegel». «Wir werden die Daten jetzt genau analysieren. Und dann müssen wir uns Massnahmen für besseren Jugendschutz überlegen.»
Für die Studie befragen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle zwei Monate rund 2000 Menschen. Den Begriff «Rauchen» definieren sie als den «täglichen oder nicht täglichen Konsum von Zigaretten oder Tabak in anderer Form». Gefördert wird die Studie vom Bundesgesundheitsministerium.
Sehr kritisch bewerten die Studienautoren sogenannte E-Zigaretten, also elektronische Rauchgeräte. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene stellten sie «ein besonderes Risiko» dar, warnten sie. «Der regelmässige Konsum kann die Entwicklung des Gehirns und der Atemwege negativ beeinträchtigen.»
In Deutschland sind Tabakwaren im Vergleich zu anderen EU-Ländern noch relativ einfach zu erwerben. Zu den Ländern mit drastischen Massnahmen zählt etwa Dänemark: Dort soll der Verkauf von Tabak- und anderen nikotinhaltigen Waren an alle Menschen, die nach 2010 geboren wurden, sogar ganz verboten werden.
Ein besonders scharfes Gesetz wurde vor zwei Wochen in Neuseeland verabschiedet: Vom kommenden Jahr an dürfen Tabak- und anderen nikotinhaltigen Waren nicht mehr an Menschen verkauft werden, die nach 2008 geboren wurden. Dieses Alterslimit soll nach und nach angehoben werden. Die Zahl der Verkaufsstellen wird von 6000 auf 600 landesweit begrenzt.