Belarus: Lukaschenko sucht das Gespräch mit Oppositionellen
Der Machthaber von Belarus stattet inhaftierten Regimegegnern einen Besuch ab. Bei dem Gespräch soll es um Änderungen der Verfassung gegangen sein. Doch lässt sich ein politischer Dialog in der Gefängniszelle führen?
Das Wichtigste in Kürze
- In Belarus hat sich Machthaber Alexander Lukaschenko mit mehreren inhaftierten Oppositionellen und Mitgliedern des Koordinationsrates getroffen.
Das Gespräch im Untersuchungsgefängnis des Geheimdienstes KGB habe viereinhalb Stunden gedauert, meldete der dem belarussischen Staatsfernsehen nahe stehende Telegram-Kanal «Pul Perwogo». Thematisiert wurden mögliche Änderungen der Verfassung, wie das oppositionelle Portal «Nexta» berichtete. Vertreter der Opposition kritisierten später, es sei absurd, Gespräche am Runden Tisch im Gefängnis zu führen.
Prominentester oppositioneller Teilnehmer des Treffens war der Bankmanager und Politiker Viktor Babariko. Der 56-Jährige wollte bei der Präsidentenwahl gegen Lukaschenko antreten, landete jedoch im Gefängnis, bevor der Wahlkampf richtig losgehen konnte.
Ein vom staatsnahen Kanal «Pul Perwogo» veröffentlichtes Foto zeigt Lukaschenko im dunklen Pullover, wie er an einem mit Blumengesteck geschmückten ovalen Tisch mit den Oppositionellen diskutiert. Über den Inhalt sei Schweigen vereinbart worden, hiess es.
In Belarus protestieren die Menschen seit der umstrittenen Präsidentenwahl Anfang August regelmässig gegen Lukaschenko. Der seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierende Machthaber reklamiert den Wahlsieg nach dem Urnengang Anfang August mit einem Ergebnis von mehr als 80 Prozent für sich. Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Die Opposition in Belarus sieht Swetlana Tichanowskaja als wahre Siegerin.
Der Kanal «Pul Perwogo» verbreitete zunächst nur einen kurzen Ausschnitt des Treffens. «Unser Land lebt unter der Losung der Dialogbereitschaft», sagte Lukaschenko, der seit der umstrittenen Präsidentenwahl jedes Gespräch mit der Opposition abgelehnt hatte. «Die Hälfte von Ihnen hier sind Juristen und wissen: Die Verfassung schreibt man nicht auf der Strasse». Er versuche, die Anhänger der Opposition und die ganze belarussische Gesellschaft zu überzeugen, dass man «das Problem weitgefasster betrachten» müsse.
Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja wertete Lukaschenkos Auftritt in dem KGB-Gefängnis als Ergebnis des wachsenden gesellschaftlichen Drucks auf den Machthaber. Mit dem Treffen habe Lukaschenko zugegeben, dass es sich bei den Oppositionellen, die er vorher als Kriminelle bezeichnet habe, um politische Gefangene handele. «Einen Dialog führt man nicht in der Gefängniszelle.» Wenn Lukaschenko Dialogbereitschaft zeigen wolle, hätte er die Oppositionellen freigelassen. Sergej Latuschko vom Koordinierungsrat sagte, ein runder Tisch im Untersuchungsgefängnis sei «absurd».
Die 38-jährige Tichanowskaja durfte erstmals seit seiner Inhaftierung mit ihrem Ehemann, dem regierungskritischen Blogger Sergej Tichanowski, telefonieren. Tichanowski wollte bei der Präsidentschaftswahl gegen Machthaber Alexander Lukaschenko antreten, das wurde ihm allerdings verwehrt. Es sei das erste Gespräch seit 134 Tagen gewesen, schrieb Tichanowskaja am Samstag bei Telegram. Ihr Ehemann sitzt seit Ende Mai in Haft. Tichanowskaja war an seiner Stelle bei der Wahl angetreten und hatte als einzige Oppositionelle eine Zulassung erhalten. Nach der Präsidentenwahl flüchtete sie nach Litauen.