Nach der Wahlschlappe der Tories deutet Parteichef Rishi Sunak seinen Rückzug an. Es wird ein parteiinterner «Bürgerkrieg» erwartet.
Premierminister Rishi Sunak
Premierminister Rishi Sunak will von seinem Amt als Parteichef der Tories zurücktreten. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei den britischen Parlamentswahlen haben die Tories von Premier Sunak ein Debakel erlebt.
  • Die konservative Partei verliert fast zwei Drittel ihrer Sitze.
  • Rishi Sunak kündigt seinen Rückzug von der Parteispitze an.
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Bei den britischen Parlamentswahlen dürfte die konservative Regierungspartei von Premierminister Sunak das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren. Für den Regierungschef ist es mehr als nur eine Wahlschlappe, es ist eine Demütigung.

Für seine Partei gleicht die Wahl einem Alptraum. «Erdrutsch» und «Massaker» lauten einige Schlagzeilen der britischen Presse nach Bekanntwerden des Desasters. Die Tories dürfte nun vor einer kompletten Neuordnung stehen.

Rishi Sunak kündigte bereits seinen Rückzug von der Parteispitze an. Kommentatoren erwarten nun einen regelrechten «Bürgerkrieg» unter den Tories. Als mögliche Nachfolgerinnen Sunaks an der Parteispitze gelten Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch und Ex-Innenministerin Suella Braverman, die beide zum rechten Parteiflügel gehören.

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Penny Mordaunt galt bisher als Favoritin für die Nachfolge von Rishi Sunak an der Parteispitze der Tories. - keystone

Weiter gehandelt werden Bildungsministerin Gillian Keegan sowie Penny Mordaunt – die Ministerin für Parlamentsfragen. Sie galt bisher als Favoritin auf Sunaks Nachfolge. Sowohl Keegan als auch Mordaunt verloren ihre Parlamentssitze. Gefährdet war auch Finanzminister Jeremy Hunt.

Verteidigungsminister Grant Shapps verliert Parlamentssitz

Auch der britische Verteidigungsminister Grant Shapps verliert seinen Sitz im Parlament in London. Der konservative Politiker unterlag bei der Parlamentswahl in seinem ostenglischen Wahlkreis Welwyn Hatfield, den er seit 2005 gehalten hatte, seinem Konkurrenten Andrew Lewin von der sozialdemokratischen Labour-Partei. Shapps diente unter mehreren Premierministern in verschiedenen Ämtern. Auch Justizminister Alex Chalk erlitt eine Schlappe.

Shapps rief seine Partei zur Einheit auf. «Für mich ist klar, dass Labour die Wahl heute Abend nicht gewonnen hat, sondern dass die Tories sie verloren haben.»

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Verteidigungsminister Grant Shapps verliert seinen Parlamentssitz. - keystone

Seine Partei habe eine endlose Seifenoper aufgeführt. «Wir haben eine grundlegende Regel der Politik vergessen. Die Leute wählen keine gespaltenen Parteien.»

«Für mich ist klar, dass Labour die Wahl heute Abend nicht gewonnen hat, sondern dass die Tories sie verloren haben», sagte Shapps. «Wir haben eine grundlegende Regel der Politik vergessen. Die Leute wählen keine gespaltenen Parteien.»

Ex-Premierministerin Truss verliert Parlamentssitz

Die frühere britische Premierministerin Liz Truss hat ihren Sitz im britischen Unterhaus verloren. Die 48-Jährige musste sich in ihrem Wahlkreis dem Herausforderer der Labour-Partei geschlagen geben. Die konservative Politikerin ist als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit Grossbritanniens in die Geschichte eingegangen. Sie behielt die Schlüssel zum Regierungssitz 10 Downing Street nur 49 Tage lang, nachdem sie 2022 Boris Johnson beerbt hatte.

Eine Boulevardzeitung hatte damals als Scherz bei ihrem Amtsantritt einen Salatkopf neben einem Foto der damaligen Regierungschefin platziert und die Szene per Livestream ins Internet gestellt. Es ging darum, was länger währt, der Salat oder Truss als Premierministerin. Der Salat gewann.

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Liz Truss musste 2022 nach wenigen Monaten im Amt als britische Premierministerin bereits wieder zurücktreten. - keystone

Truss musste im Oktober 2022 zurücktreten, nachdem ihre Ankündigung massiver Steuersenkungen eine Krise an den Finanzmärkten ausgelöst hatte. Nach ihrem Auszug aus der Downing Street rückte sie weiter ins rechtspopulistische Lager und machte eine angebliche linksliberale Verschwörung für ihr Scheitern verantwortlich.

Liberaldemokraten und Rechtspopulisten legen zu

Mandate verloren haben die Konservativen wohl nicht nur an Labour. Auch die Liberaldemokraten scheinen erhebliche Zugewinne auf Kosten der Tories verbuchen zu können. Sie kommen laut der jüngsten BBC-Prognose auf 56 Sitze – bisher waren es nur 11. Seine Partei sei auf Kurs zu ihrem besten Ergebnis in einem Jahrhundert, frohlockt Parteichef Ed Davey.

Viele Stimmen gingen auch die rechtspopulistische Partei Reform UK. Deren Vorsitzender Nigel Farage, der einst den Brexit massgeblich vorangetrieben hatte, schaffte es im achten Anlauf erstmals ins Unterhaus.

Verfolgst du die britischen Parlamentswahlen?

Die Rechtspopulisten um Farage fühlen sich als Sieger, auch wenn sie nur wenige Mandate erhalten. Denn im britischen Mehrheitswahlrecht gewinnt die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen den Wahlkreis. Alle anderen Stimmen haben keine Auswirkung.

Farage dürfte mit seiner überraschenden Kandidatur erheblich zum schlechten Ergebnis der Konservativen beigetragen haben. Weil er ihnen Wähler am rechten Rand abspenstig machte.

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Die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage konnte bei den britischen Parlamentswahlen zulegen. - keystone

Auch für die schottische Unabhängigkeitspartei SNP sieht es nach einer verheerenden Niederlage aus. Sie sackt der Prognose zufolge von 48 auf 6 Mandate ab. Ein «sehr schwaches» Ergebnis, wie der schottische Regierungschef John Swinney einräumt.

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