Corona-Impfungen mit Astrazeneca in der Regel nur noch ab 60

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Deutschland,

Bei der Verwendung des Impfstoffes von Astrazeneca folgt die nächste Kurskorrektur: Vorsichtshalber soll er generell nicht mehr für Jüngere unter 60 genutzt werden. Was heisst das für die Impfkampagne?

Ein Fläschchen mit dem Astrazeneca-Wirkstoff gegen Corona. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
Ein Fläschchen mit dem Astrazeneca-Wirkstoff gegen Corona. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei den Corona-Impfungen in Deutschland kommt eine neue vorsorgliche Altersbeschränkung für das Mittel von Astrazeneca.

Das Präparat soll ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden, wie die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen.

Unter 60-Jährige sollen sich «nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung» weiterhin damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen. Erst Mitte März waren Astrazeneca-Impfungen nach einer mehrtägigen Impfpause und neuen Überprüfungen wieder angelaufen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rechtfertigte die Entscheidung mit Blick auf das Vertrauen in die Corona-Impfungen, räumte aber auch eine Verunsicherung ein. «Vertrauen entsteht aus dem Wissen, dass jedem Verdacht, jedem Einzelfall nachgegangen wird», sagte sie nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Die Alternative sei gewesen, etwas unter den Teppich zu kehren oder die Fälle ernst zu nehmen. Unter allen Abwägungen sei dies daher der Weg, der noch zu «möglichst bestem Vertrauen» führe, sagte Merkel. «Wenngleich ich die Verunsicherung nicht wegreden kann.» Dass verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stünden, sei ein grosses Glück. Bund, Länder und Kommunen wollten nun gemeinsam Änderungen bei den Impfplanungen klären.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass in Deutschland zugelassene Impfstoffe «akribisch überwacht» würden. «Andererseits ist es ohne Frage ein Rückschlag, dass bei einem unserer verfügbaren Impfstoffe in dieser Pandemie für eine bestimmte Altersgruppe offenbar ein erhöhtes Risiko besteht.» Menschen über 60 könnten nun schneller geimpft werden. «Insofern kann ich alle über 60-Jährigen tatsächlich ausdrücklich nur bitten, dieses Impfangebot auch wahrzunehmen». Der Impfstoff sei sehr wirksam, gerade auch bei Älteren. Merkel und Spahn bekräftigten das Ziel, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen.

Die Länder sollen nun auch schon 60- bis 69-Jährige für das Mittel von Astrazeneca mit in ihre Impfkampagnen einbeziehen können, heisst es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Beschluss der Gesundheitsminister. «Dies gibt die Möglichkeit, diese besonders gefährdete und zahlenmässig grosse Altersgruppe angesichts der wachsenden 3. Welle nun schneller zu impfen.» Derzeit laufen generell Impfungen in den ersten beiden Prioritätsgruppen, zu denen - bezogen auf das Lebensalter - Menschen ab 70 Jahre gehören. Wenn Menschen unter 60 sich für Astrazeneca entscheiden, sollen diese Impfungen grundsätzlich in den Praxen der niedergelassenen Ärzte erfolgen.

Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine entsprechende neue Altersbeschränkung für Astrazeneca empfohlen. Grundlage seien derzeit verfügbare Daten zum Auftreten «seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen». Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten, teilte das beim Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Gremium mit. In Deutschland sind bisher 31 Fälle solcher Blutgerinnsel nach Impfungen mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am Dienstag berichtete.

Die Impfungen mit Astrazeneca sind eine wichtige Säule im Kampf gegen die Pandemie. Seit einiger Zeit steigen die Infektionszahlen in Deutschland wieder deutlich. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstagmorgen bei 135,2. Am Vortag hatte das RKI noch 134,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und sieben Tagen gemeldet. Ähnlich hoch waren die Werte zuletzt Mitte Januar.

Merkel hatte die Bundesländer deswegen mit Nachdruck an die vereinbarte Corona-Notbremse erinnert und angedeutet, notfalls könne auch der Bund einschreiten. Eine solche Möglichkeit untermauert ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Demnach kann der Bund den Ländern über das Infektionsschutzrecht Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie machen, die diese dann genau umzusetzen hätten. Der Bund könnte zum Beispiel vorgeben, welche konkreten Massnahmen im Falle der Überschreitung eines bestimmten Inzidenzwertes in einem Gebiet - etwa in einem Landkreis - ergriffen werden müssen. Er kann auch Massnahmen zum Infektionsschutz in Schulen anordnen, obwohl Schulen laut Grundgesetz Ländersache sind.

Eine gesetzliche Regelung kann nach Einschätzung von Innenminister Horst Seehofer allerdings nicht an den Ländern vorbei beschlossen werden. «Wir schätzen es so ein, dass so ein Gesetz mit höchster Wahrscheinlichkeit zustimmungspflichtig wäre im Bundesrat», sagte der CSU-Politiker. Er persönlich fände es aber richtig, wenn bundesweit einheitlich reagiert werde. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff rief Merkel auf, die Corona-Politik soweit möglich aus dem Kanzleramt zu steuern.

Gut zwei Drittel der Deutschen wünschen sich ebenfalls, dass Merkel im Kampf gegen die Pandemie eine aktivere Rolle bekommt. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der «Augsburger Allgemeinen» waren 67 Prozent der Befragten der Meinung, die Kanzlerin sollte stärker in die Corona-Politik der Länder eingreifen dürfen.

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