Corona verschärft Personalmangel in Kliniken
Pflegepersonal wird deutschlandweit händeringend gesucht. Nun kommt die Impfpflicht im Gesundheitswesen - verschärft sie das Problem? Die Kliniken sind besorgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Pandemie verschärft den Mangel an Pflegepersonal in Deutschland - und Krankenhäuser fürchten deswegen eine schlecht umgesetzte Impfpflicht.
Die Sorge ist, dass Politik und Behörden die ab 15. März geltende Impfpflicht im Gesundheitswesen nicht einheitlich umsetzen. Das sagte Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, der Deutschen Presse-Agentur. Denn das könnte den Wettbewerb der Krankenhäuser um das händeringend gesuchte Personal noch anheizen.
Wie sehr die Corona-Pandemie den Personalmangel in der Pflege verschärft hat, legen Daten des Jobportals Stepstone nahe. Dort war die Zahl der Stellenanzeigen für Pflegeberufe im Dezember 2021 um 85 Prozent höher als vor Beginn der Pandemie im Januar 2020. Das teilte Stepstone auf Anfrage mit. Zum Vergleich: Die Jobausschreibungen insgesamt haben auf dem Portal im selben Zeitraum um 40 Prozent zugelegt. Absolute Zahlen nannte das Düsseldorfer Unternehmen nicht.
«Pandemie Personalsituation noch verschärft»
In einer Stellungnahme des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) heisst es: «Die Pandemie hat die Personalsituation und die spezifischen Belastungen noch verschärft.» Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte jüngst, dass der Personalmangel sich in der Pandemie vergrössert habe.
«Was nicht passieren darf, ist eine unterschiedliche Umsetzung von Einrichtung zu Einrichtung und von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt», sagte Engehausen. «Wenn in einer Region ein nicht geimpfter Beschäftigter ohne klar nachvollziehbare Gründe weiter arbeiten darf und in einer anderen nicht, wäre das nicht gut.»
Ebenso besorgt sind die Kliniken, dass die Berliner Koalition vom Mut zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht verlassen wird: «Unsere Befürchtung ist, dass die allgemeine Impfpflicht zerredet wird, die einrichtungsbezogene Impfpflicht unklar geregelt wird, und wir wieder den Fehler machen, im Herbst nicht auf eine neue Virus-Variante vorbereitet zu sein, die nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre so sicher kommen dürfte wie das Amen in der Kirche», sagt Engehausen.
Impfpflicht wäre für Impfunwillige Anreiz zum Branchenwechsel
Denn sollte es bei der Impfpflicht ausschliesslich im Gesundheitswesen bleiben, wäre das für Impfunwillige ein natürlicher Anreiz zum Branchenwechsel. Weltweit beflügelt die Pandemie die Bereitschaft unzufriedener Arbeitnehmer, sich neue Herausforderungen zu suchen. Im englischen Sprachraum gibt es dafür bereits den Begriff der «great resignation». Nicht Resignation ist gemeint, sondern Kündigung von Seiten der Arbeitnehmer.
Portale wie Stepstone beobachten das auch - und besonders in den Pflegeberufen. Im Dezember und Januar gaben in einer aktuellen Untersuchung 42 Prozent der Beschäftigten in der Pflege an, dass sie auf der Suche nach einem neuen Job seien. Insgesamt befragt wurden laut Stepstone 12.600 Menschen.
Das gilt aber auch ganz allgemein: Im Januar lag die Anzahl der Jobsuchen auf Stepstone.de demnach um mehr als die Hälfte höher als im Tagesdurchschnitt des vergangenen Jahres.
«Wir erleben am Arbeitsmarkt gerade eine Zeitenwende», sagt Stepstone-Chef Sebastian Dettmers. «Die Herausforderung heisst ab sofort nicht mehr Arbeitslosigkeit, sondern Arbeiterlosigkeit.» Gerade im Pflegebereich sei das schon Realität.
Nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit sind die dort gemeldeten offenen Stellen in den Pflegeberufen seit Beginn der Pandemie von Dezember 2019 bis Dezember 2021 zwar leicht zurückgegangen - von 39.166 auf 38.232. Doch das wertet die BA selbst nicht als Indiz für gesunkenen Bedarf. «Ein Rückgang der gemeldeten Arbeitsstellen in der BA-Statistik bedeutet in dem Fall nicht, dass weniger Arbeitskräfte im Pflegebereich gesucht werden», erläutert eine Sprecherin. Die Fachleute der BA gehen davon aus, dass ihnen nicht alle offenen Stellen gemeldet werden.
Fragwürdige Jobanzeigen ungeimpfter Pfleger
Unterdessen gibt es in einigen Tageszeitungen auffallend viele und sehr ähnliche Jobanzeigen angeblich ungeimpfter Pflegekräfte. Sie legen den Verdacht nahe, dass es sich zumindest teilweise um Falsch-Anzeigen beziehungsweise abgesprochene Aktionen von Gegnern der Corona-Impfung handeln könnte. Am Wochenende berichteten der «Fränkische Tag» (Bamberg) und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) über auffallend viele solcher Jobanzeigen.
In der Zeitung in Bamberg seien es mehr als 50 Anzeigen am Samstag gewesen. «Diese Häufung von sich ähnelnden Inseraten ist ungewöhnlich. Das wirkte auf den ersten Blick fast wie abgesprochen», sagte Gerhard Staudt, Teamleiter des Auftragsmanagements der Mediengruppe Oberfranken.
Ein RBB-Jornalist entdeckte «mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche in einem Bautzener Anzeigenblatt» und versuchte bei einigen unter den angegebenen Telefonnummern jemand zu erreichen. Der Journalist Andreas Rausch schreibt, dass manche Nummern unvollständig oder wie die «0160-1234567890» nicht vergeben seien, oder es gehe niemand ans Telefon. Bei allen 18 Stichproben habe er mit niemanden sprechen können.
Sehr wahrscheinlich authentisch sind Stellengesuche auf Ebay Kleinanzeigen, da die Betreffenden ihre Gesuche dort mit Kontaktdaten und häufig auch mit Foto aufgeben. Am Freitag waren dort gut 500 Annoncen von Krankenpflegerinnen und -pflegern aus ganz Deutschland zu finden, 35 mit dem zusätzlichen Suchbegriff «ungeimpft».
«Die aktuelle Debatte zeigt, wie dünn die Personaldecke in der Pflege ist, sagt Christel Bienstein, die Präsident des Pflegeberuf-Verbands. «Die Politik sollte daraus den Schluss ziehen, dass die Versäumnisse zu ernsthaften Versorgungsengpässen führen.» So fordert der DBfK bedarfsgerechte Analyse des Personalbedarfs und Massnahmen zur Sofortgewinnung zusätzlicher Pflegekräfte ebenso wie zu deren langfristiger Bindung.
Und bei der Bayerischen Krankenhausgesellschaft wirbt Geschäftsführer Engehausen: «Nahezu kein anderer Beruf hat solche Zukunftsperspektiven und so kontinuierlich steigende Gehälter.»