Corona-Winter: Auch Geimpfte sollten jetzt vorsichtig sein

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Deutschland,

Der Anstieg der Inzidenz wird aller Voraussicht nach nicht so schnell enden. Was bedeutet das und was sollten auch Geimpfte in der jetzigen Situation berücksichtigen?

Anstieg der Inzidenz: Trotz Impfung gehe es jetzt darum, sein Verhalten ähnlich wie im vergangenen Herbst anzupassen, sagt Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa
Anstieg der Inzidenz: Trotz Impfung gehe es jetzt darum, sein Verhalten ähnlich wie im vergangenen Herbst anzupassen, sagt Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor einem Jahr gab es noch keinen zugelassenen Impfstoff gegen das Coronavirus.

Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Hygiene-Regeln waren die wesentlichen Massnahmen, um die Ausbreitung des Erregers abzubremsen und damit möglichst viele schwere Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden.

Im November 2021 ist die Situation eine deutlich andere, eine bessere. Mittlerweile sind vier Covid-19-Impfstoffe in Deutschland zugelassen, gut zwei Drittel der Bevölkerung sind vollständig gegen das Virus geimpft.

Derzeitige Entwicklung

Einen entspannten Herbst und Winter erwarten Experten mit Blick auf das derzeitige Infektionsgeschehen dennoch nicht. «Wir haben anfangs vielleicht überschätzt, wie sehr man mit einer Impfquote von um die 70 Prozent die Ausbreitung des Virus stoppen kann», sagt Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). «So wie wir zurzeit leben, also mit geöffneten Schulen, offenen Geschäften, wieder grösseren Veranstaltungen und so weiter, verbreitet sich das Virus stark, vor allem unter den Ungeimpften. Wir müssen lernen, mit diesen hohen Zahlen umzugehen.»

«Die derzeitige Entwicklung ist nicht überraschend, und sie wird auch noch eine Weile so weitergehen», sagt auch Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS. «Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Wochen eine bundesweite Inzidenz von um die 200 erreichen werden. Sehr viel höher werden die Zahlen vermutlich aber nicht steigen, wenn wir Schutzmassnahmen beibehalten.»

Druck auf Ungeimpfte wächst

Mit den steigenden Inzidenzen wächst der Druck vor allem auf die Ungeimpften, bei denen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) derzeit ein Grossteil aller symptomatischen Neuinfektionen und Krankenhausaufnahmen verzeichnet wird. «Wir werden aber im Herbst und Winter auch bei den Geimpften wieder mehr Ansteckungen sehen, vor allem bei den älteren Menschen über 70 Jahren und bei denen mit bestimmten Vorerkrankungen», sagt Falk. Vor allem in diesem Gruppen müsse man mit einer steigenden Zahl an Krankenhauseinweisungen rechnen, wie auch Daten des RKI zeigten.

Gegen die Impfung sprechen die Infektionen unter Geimpften nicht, betonen Experten immer wieder. «Das Ziel bei der Impfstoffentwicklung war nicht in erster Linie, eine Immunantwort auszulösen, die vor jeglicher Infektion schützt», sagte kürzlich etwa Hendrik Streeck, Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn. «Es ging immer im Kern um den Schutz vor schweren Verläufen.» Wegen sogenannter Durchbruchinfektionen könne man keinesfalls von einem Versagen der Impfstoffe sprechen.

«Allianz der Vernünftigen»

Um die Ausbreitung des Virus weitgehend einzudämmen, setzt Falk auf eine «Allianz der Vernünftigen». «Die gut 75 Prozent von Erwachsenen, die sich haben impfen lassen, die werden sich überlegen, wie man sich jetzt am besten schützen kann. Man sollte die Power dieser Gruppe nicht unterschätzen.» Konkret gehe es darum, trotz Impfung sein Verhalten ähnlich wie im vergangenen Herbst anzupassen, also die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, Maske zu tragen und Innenräume regelmässig zu lüften. «Darüber hinaus sind Tests weiterhin ganz wichtig, um die Ausbreitung des Virus und das Risiko einer Ansteckung zu senken», betont Falk. Geimpfte sollten etwa einen Antigen-Schnelltest machen, bevor sie sich in grösseren Gruppen treffen. Auch bei vermeintlich harmlosen Schnupfen- oder Erkältungssymptomen könne ein Test etwas mehr Sicherheit geben.

Dass die Impfquote in den kommenden Herbstwochen noch entscheidend steigen wird, glauben Experten eher nicht. «Ohne die Einführung einer Impfpflicht sehe ich da keine grösseren Sprünge», sagt Zeeb. Dennoch sei es wichtig, möglichst niedrigschwellige Impfangebote ohne Barrieren anzubieten, das könne noch einige Prozent bei der Impfquote herausholen. Eine weitgehende Stagnation der Impfquote legen auch die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Forsa-Erhebung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums nahe. Demnach wollen sich neun von zehn Menschen in Deutschland, die noch keine erhalten haben, auch in nächster Zeit nicht impfen lassen. Zweifel an der Sicherheit der Impfstoffe, Angst vor Nebenwirkungen oder auch grundsätzlich die Ablehnung des grossen Drucks auf Ungeimpfte werden als Gründe genannt.

«Wie stark die Zahlen im weiteren Verlauf steigen werden, hängt jetzt vor allem daran, wie die bekannten Schutzmassnahmen eingehalten werden und wie sich die Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen entwickeln», sagt Zeeb. Derzeit sind gut 40 Prozent der 12 bis 17-Jährigen vollständig geimpft, für Kinder unter 12 Jahren ist bisher kein Impfstoff zugelassen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte kürzlich angekündigt, möglichst noch vor Weihnachten zu entscheiden, ob sie eine Empfehlung für Corona-Impfungen für Kinder zwischen fünf und elf Jahren ausspricht.

Diskussion über Auffrischungsimpfungen

Diskutiert wird derzeit, inwieweit Auffrischungsimpfungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wichtig sind. Die Ständige Impfkommission (Stiko) dringt auf Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus zunächst nur für ausgewählte Gruppen. Es komme darauf an, die Menschen zuerst zu schützen, die die Impfung am dringendsten benötigen, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens. Gesunde Menschen mittleren Alters mit Grundimmunisierung könnten davon ausgehen, dass sie noch ausreichend Schutz vor einer schweren Covid-19-Erkrankung haben. Zwar lasse der Schutz vor Ansteckung mit der Zeit nach, nicht aber der Schutz vor einer schweren Erkrankung. Mertens betonte, es gelte auch die noch klaffenden Impflücken bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren zu schliessen. Die Impfquoten seien hier unzureichend.

Impf-Verstärkungen («Booster») sind mindestens sechs Monate nach einer vollständigen Impfung möglich. Angeboten werden sie Älteren ab 60 Jahre, Corona-Risikogruppen, aber auch Geimpften mit Astrazeneca und Johnson & Johnson. Die Stiko empfiehlt Auffrischungsimpfungen vorerst unter anderem für Menschen ab 70, für immunsupprimierte Patienten und für Pflegepersonal. Grundsätzlich sind sie laut Impfverordnung aber auch für alle anderen Menschen möglich.

Booster für alle Erwachsenen könnte Ausbreitung verhindern

Ein Team um Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin schlug kürzlich vor, die Auffrischungsimpfungen auf alle Erwachsenen auszuweiten. Studien zufolge minderten die Booster das Risiko einer Übertragung des Erregers und könnten somit die Ausbreitung verhindern helfen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem jüngsten Modus-Covid-Bericht. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn warb zuletzt für die Ausweitung von Auffrischungsimpfungen.

Während sich Geimpfte in diesem Herbst und Winter also sehr viel sicherer fühlen dürfen, wird sich die Situation auf den Intensivstationen vermutlich kaum von der im vergangenen Jahr unterscheiden. «Wir erwarten keinen Winter, der sich gross von den letzten zwei erlebten unterscheidet», sagte der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung, Gernot Marx, kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er gehe jedoch davon aus, dass alle Patientinnen und Patienten vollumfänglich versorgt werden könnten. «Aber es werden hierzu wieder Operationen abgesagt wie auch Pflegepersonal aus anderen Bereichen abgezogen werden müssen», bekräftigte er frühere Aussagen.

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