Coronavirus: Briten wollen Corona zu einer normalen Grippe machen
In Grossbritannien wird der Ruf nach einem Ende von Impfen und Testen laut: Die Briten wollen Corona zu einer normalen Grippe machen.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr britische Experten fordern, Corona wie eine Grippe zu behandeln.
- Auch die Johnson-Regierung überlegt sich offenbar eine neue Strategie.
- Es gibt aber auch Mediziner, die davor warnen, Omikron zu «verniedlichen».
150'000 Menschen sind in Grossbritannien seit dem Pandemiebeginn an Corona gestorben. Das Königreich verzeichnet damit die meisten Covid-Toten in Europa – von Russland abgesehen. Im Sommer und Herbst des letzten Jahres lagen die Todeszahlen auf der Insel auf einem relativ niedrigen Niveau. Zuletzt gab es aber wieder täglich über 130 Opfer. Und die Zahlen steigen: Letzte Woche nahm die Zahl der Toten mit Corona gegenüber der Vorwoche um fast 40 Prozent zu.
Deshalb überrascht es, dass ausgerechnet jetzt prominente Stimmen in England eine völlige Strategie-Kehrtwende fordern. Es sei Zeit für «eine neue Normalität», sagte etwa der frühere Vorsitzende des Arbeitsstabs für Impfungen, Clive Dix, gegenüber dem britischen «Guardian». Er verlangt ein prinzipielles Umdenken im Umgang mit Corona. Der Experte meint, man sollte Covid-19 eher wie die altbekannte Grippe behandeln.
Sobald die derzeitige Booster-Runde abgeschlossen sei, «sollten die massenhaften Impfungen enden», so der Impfexperte. Auch das Testen auf Corona stellt Dix in Frage. «Wir sollten überlegen, wann wir damit aufhören. Einzelne Personen könnten sich selbst isolieren, wenn sie sich nicht wohlfühlen.» Diese Menschen könnten dann zur Arbeit zurückkehren, sobald sie dazu in der Lage wären – «ganz wie wir es schon jetzt in einem schlimmen Grippewinter tun.»
«Covid wird jedes Jahr schwächer werden»
Auch Premierminister Boris Johnson ist überzeugt, man könne «einen Weg finden, um mit diesem Virus zu leben.» Dass einige Minister darauf drängen würden, die Schnelltests künftig nicht mehr gratis auszugeben und den Tests allgemein weniger Gewicht beizumessen, hat seine Regierung aber nachdrücklich dementiert. Eine Verkürzung der Quarantänefrist für Infizierte auf fünf Tage steht jedoch zur Diskussion. Und der Impfausschuss des Landes sieht keine Notwendigkeit für eine generelle vierte Impfung in nächster Zeit.
Nicht zuletzt scheinen sich auch die Medien in Grossbritannien auf einen neuen Kurs einzustellen. So stellte die «Daily Mail» den Vergleich zu den jährlichen Grippetoten auf und kommt zum Schluss: «Mit Corona sterben halb so viele Menschen pro Tag als in einem schlechten Grippe-Jahr.»
Das Boulevard-Blatt nennt dabei Zahlen der Regierung von der letzten starken Grippe-Saison 2017/18. Damals seien beim Peak täglich mehr als 400 Menschen gestorben, im Jahr zuvor seien es täglich 300 gewesen. «Die Zahlen zeigen, dass die Belastung durch Covid jetzt mit einer Grippe vergleichbar ist», analysiert Paul Hunter in dem Bericht.
Der Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von East Agnlia meint, dass Covid «mit ziemlicher Sicherheit» jedes Jahr schwächer werden würde. «Die Menschen werden eine natürliche Immunität entwickeln und das Virus schliesslich zu einer Erkältung werden. Dann werden nur die sehr verwundbaren im weiteren Verlauf sterben.»
«Dürfen Omikron nicht verniedlichen»
Es hört sich also ganz so an, als ob Grossbritannien auf eine neue Strategie zusteuert, die Schutzmassnahmen nur noch für die Risikogruppen vorsieht. Dies stösst auf der Insel aber auch auf starke Skepsis. Vielen Experten reichen die jetzigen Minimal-Restriktionen nicht aus.
Der Vorsitzende des Britischen Ärzteverbandes, Chaand Nagpaul, sagte gegenüber den Medien: «Die Regierung muss alles in ihrer Macht stehende tun, um Omikron mit gesundheitspolitischen Sofortmassnahmen unter Kontrolle zu bekommen.» Es gehe dabei nicht nur darum, das Gesundheitswesen zu schützen, sondern auch zu verhindern, dass nicht noch mehr Leute «unnötig ihr Leben verlieren».
Alleine die traurige neue Rekordzahl an Todesopfern erinnere an den «tödlichen Ernst», der Lage, so der renommierte Mediziner: «Wir dürfen die Wirkung Omikrons nicht zu einer milden Erkrankung verniedlichen. Insbesondere nicht, wenn die Zahl der Spitaleinweisungen weiter steigt.»