Coronavirus: Tschechien ist erneut Europas Hotspot
Das Wichtigste in Kürze
- Tschechien bricht erneut den weltweiten Corona-Ansteckungsrekord.
- Die Bürger sind Corona-müde und hören nicht mehr auf die Regierung.
- Die Spitäler kommen mit der Behandlung von Corona-Patienten kaum nach.
Was bereits im letzten Herbst geschah – wiederholt sich nun. Tschechien vermeldet erneut die weltweit höchsten Infektionsraten mit dem Coronavirus. Das Land führt das traurige Ranking der 7-Tage-Inzidenz mit 783 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner an.
Im Vergleich: Die Schweiz weist ein Wert von 84,5 auf, Portugal – fast gleich viele Einwohner wie Tschechien – nur 64. Island steht mit 1,6 am besten da.
Bevölkerung ist zum Teil selbst schuld
Der Grund für diesen hohen Wert geben Experten vor allem der britischen Mutation des Coronavirus. Einen entscheidenden Teil trägt aber die Bevölkerung selbst dazu bei. Die Tschechen sind Corona-müde.
Laut einer Umfrage der Weltgesundheitsorganisation vertrauen 76 Prozent der Tschechen ihrer Regierung bei der Pandemiebekämpfung nicht mehr. Rund die Hälfte gab sogar an, trotz Corona-Symptomen nicht zu Hause zu bleiben.
Premier Andrej Babis bat, wenig überraschend, erst kürzlich regelrecht um Verzeihung. Als die Regierung unter anderem die Maskenpflicht im Freien und Schulschliessung verkündete, sagte er: «Ich weiss, dass die Regierung in der Vergangenheit viele Fehler gemacht hat. Geben Sie uns noch einmal eine Chance.»
Regierung nahm Coronavirus zu wenig ernst
Ob sich die Tschechen an die geltenden Massnahmen halten, darf bezweifelt werden. Das Land liegt bei den Corona-Impfungen unter dem EU-Schnitt, der am Montag bei 7,7 Prozent lag. Tschechien hat Stand Mittwoch rund 6,5 Prozent der Bevölkerung geimpft. Die Schweiz nähert sich den 10 Prozent.
Im Sommer lud man zum «Ende von Corona» ein und organisierte in Prag ein riesiges Strassenfest. Kein Wunder folgte danach eine neue Ansteckungswelle. An Weihnachten lockerte man ebenfalls die Massnahmen, was zu erhöhten Fällen im Januar führte.
Im «Politico»-Interview kritisierte Epidemiologe Rastislav Madar das Verhalten der Behörden. Er war bis vor wenigen Monaten selbst noch Regierungsberater in Sachen Corona. Madar schlug im Sommer eine Maskenpflicht in Innenräumen vor. Die Regierung hat das mit Blick auf die Regionalwahlen im Oktober einfach ignoriert.
Unerprobte Medikamente werden nun eingesetzt
Die Spitäler trifft diese Lage am härtesten. Am Mittwoch vermelden sie die stationäre Behandlung von 8162 Menschen, der höchste Wert seit Beginn der Corona-Pandemie. Darunter sind mehr als 1660 besonders schwere Fälle, die künstlich beatmet werden müssen. In der Schweiz waren Ende Februar etwas über 200 Patienten hospitalisiert.
Angesichts der verzweifelten Lage sollen nun auch weitgehend unerprobte Medikamente versuchsweise eingesetzt werden. Im Universitätsspital in Brünn trafen 10'000 Packungen des Antiparasitikums Ivermectin ein. Dafür hat sich Regierungschef Andrej Babis persönlich eingesetzt: «Wir können nicht auf klinische Studien warten, lasst uns das versuchen.»