Denkzettel für Recep Tayyip Erdoğanbei der Kommunalwahl in Türkei

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Türkei,

Zittern um das Wahlergebnis: Die Opposition gewinnt voraussichtlich die Macht in Ankara und Istanbul und beendet damit die AKP-Herrschaft in diesen enorm wichtigen Städten. Es wäre eine Schlappe für Präsident Erdogan und eine Chance für seine Gegner.

Präsident Recep Tayyip Erdogan verlässt nach der Abgabe seines Stimmzettels die Wahlkabine. Foto: Lefteris Pitarakis/AP
Präsident Recep Tayyip Erdogan verlässt nach der Abgabe seines Stimmzettels die Wahlkabine. Foto: Lefteris Pitarakis/AP - dpa-infocom GmbH

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat bei der Kommunalwahl eine empfindliche Schlappe erlitten.

Zwar bleib seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit 44 Prozent der Stimmen stark, aber verliert Gebiete. Und zwar im AKP-Herzland Anatolien sowie wichtige Grossstädte.

Heute Dienstag gibt es bislang weiter nur vorläufige Ergebnisse. Denen zufolge watschten die Wähler Erdogans AKP nicht nur in der Hauptstadt Ankara ab, sondern auch in der Tourismus-Hochburg Antalya – und möglicherweise sogar in der grössten Stadt des Landes, der Wirtschaftsmetropole Istanbul.

Istanbul wurde nach einem atemberaubend knappen Rennen am Mittag sogar von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu der Opposition zugeschlagen. Auf der Grafik, die die Ergebnisse in Gelb für die AKP und in Rot für die Mitte-Links-Oppositionspartei CHP anzeigte, färbte sich die Großstadtprovinz von gelb zu rot ein. Da waren 99 Prozent aller Stimmen ausgezählt.

Der Bürgermeisterkandidat der CHP, Ekrem Imamoglu, lag demnach um Haaresbreite mit 48,79 der Stimmen zu 48,51 Prozent der Stimmen vor dem AKP-Kandidaten, Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim. Der warnte allerdings in einer Pressekonferenz am Nachmittag, dass die Zählung noch nicht abgeschlossen sei. 13 Wahlurnen seien noch übrig. Sein Kontrahent habe zwar etwa 25 000 Stimmen mehr als er - «es gab aber viele ungültige Stimmen, die können das Ergebnis sehr verändern», sagte Yildirim.

Schnelle Ergebnisse sind in diesem erbitterten Kampf um jede Stimme nicht zu erwarten. Beide Parteien hätten nun drei Tage Zeit, um Beschwerden einzulegen, sagte der Chef der Wahlbehörde YSK, Sadi Güven. Weil der Vorsprung für die CHP so mager ist, könnten für ungültig erklärte Stimmen das Verhältnis zwischen Gewinner und Verlierer noch umdrehen, warnten Experten wie der Türkei-Experte Michael Sercan Daventry vom Analyseblog «James in Turkey».

Endgültige Ergebnisse könnte es möglicherweise erst in zehn Tagen geben. Der Generalsekretär der AKP, Fatih Sahin, kündigte an, dass man auch in Ankara Einspruch einlegen werde.

Die Blamage für Erdogan ist dennoch erheblich. Der Türkei-Experte Wolf Piccoli von der Firma Teneo schrieb in einer Analyse, dass nach den Teilergebnissen Oppositionsparteien sieben der zwölf größten Städte der Türkei gewonnen haben, darunter Adana, Eskisehir und Diyarbakir. Die Großstadt Bursa hielt die AKP nur knapp. In kurdischen Gebieten hingegen gewann sie dazu. Wie bei vergangenen Wahlen dominierte Erdogans Partei weiter in Zentralanatolien, wenngleich sie dort auch Stimmen verloren zu haben schien.

Der deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir deutete das Ergebnis so: Der «absolute Machtanspruch» von Erdogan gerate ins Wanken, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Die Wahlerfolge für die Opposition in Ankara und Istanbul könnten der Anfang vom Ende der Erdogan-Ära sein.» Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, wiederum sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Dienstag), Erdogan müsse jetzt mit oppositionellen Bürgermeistern arbeiten. Das sei eine Chance für die Türkei, in einen neuen Dialog einzusteigen.

Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Erdogan selbst hatte die Wahl zu einem Referendum über seine Regierung gemacht. Obwohl er gar nicht zur Wahl stand, hatte er fast jeden Tag gleich mehrere Wahlkampfauftritte hingelegt und war durchs halbe Land gereist. Die Wahl hatte er mit äußerst aggressiver Rhetorik gegen die Opposition hochstilisiert zu einem Kampf um Fortbestand oder Niedergang der Nation.

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