Deutsche Rüstungsexporte um ein Viertel gesunken
Trendwende bei den deutschen Rüstungsexporten: Nach einem sprunghaften Anstieg 2019 geht es wieder steil bergab. Unter den wichtigsten Empfängerländern waren aber auch 2020 wieder mehrere Problemfälle - und ein Sonderfall.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach einem Rekord 2019 sind die Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel zurückgegangen.
Die Bundesregierung erlaubte der Industrie die Ausfuhr von Waffen und militärischer Ausrüstung im Wert von 5,82 Milliarden Euro, wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Das sind 27 Prozent weniger als die 8,015 Milliarden Euro im Vorjahr. Spitzenreiter unter den Empfängerländern ist erneut Ungarn mit einem Exportvolumen von 838,4 Millionen Euro. Dahinter folgen Ägypten (763,7), Israel (582,4) und die USA (509,2).
Die Exportgenehmigungen der Bundesregierung waren zwischen 2016 und 2018 kontinuierlich gesunken, 2019 dann aber sprunghaft gestiegen. Da einzelne Geschäfte im hohen dreistelligen Millionenbereich oder im Extremfall sogar Milliardenbereich liegen können, unterliegt die Statistik starken Schwankungen.
Gestiegen ist 2020 der Anteil der Exporte in Länder, die nicht der EU oder Nato angehören oder diesen Ländern gleichgestellt sind wie Japan und Australien. Etwa die Hälfte der genehmigten Lieferungen (50,1 Prozent) ging in diese sogenannten Drittstaaten, 2019 waren es 44,1 Prozent. Exporte in diese Länder sind besonders umstritten, weil einige davon in Konflikte verwickelt sind oder bestimmte Menschenrechtsstandards verletzen.
UMSTRITTENE EXPORTE NACH ÄGYPTEN
Das gilt zum Beispiel für Ägypten. Das von Präsident Abdel Fattah al-Sisi mit harter Hand regierte Land war schon 2019 die Nummer 3 unter den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Im vergangenen Jahr rückte das bevölkerungsreichste Land Nordafrikas sogar auf den zweiten Platz vor. Das Wirtschaftsministerium weist darauf hin, dass 99 Prozent der genehmigten Exporte ganze Schiffe oder Bauteile dafür betreffen. So beliefert das deutsche Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems Ägypten mit U-Booten. Im November genehmigte die Bundesregierung der Bremer Lürssen Werft zudem die Ausfuhr von neun Patrouillenbooten und eines Küstenschutzbootes.
Ägypten werden Menschenrechtsverletzungen wie die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit und die Inhaftierung Tausender Oppositioneller aus politischen Gründen vorgeworfen. Zudem gehört das Land zu der von Saudi-Arabien geführten Kriegskoalition im Jemen und mischt auch im Libyen-Konflikt mit. Andererseits ist Ägypten ein strategischer Partner Deutschlands in der Region und zum Beispiel enger Alliierter bei dem Versuch, eine Lösung für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu finden.
Der ägyptische Botschafter in Berlin, Khaled Galal Abdelhamid, hatte die Rüstungsgeschäfte erst kürzlich als gegenseitigen Vertrauensbeweis zwischen Deutschland und seinem Land gewürdigt. Die Kooperation zeige, «dass Deutschland sicher ist, dass diese Ausrüstung für die richtigen Zwecke verwendet wird», sagte er. «Je grösser die Zahl, desto lebendiger und enger sind die Beziehungen.»
EXPORTE AN ISRAEL SIND SONDERFALL
Mit Katar findet sich mit 306,2 Millionen Euro ein weiteres Drittland unter den Top Ten der Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte. Das ölreiche Emirat zählt neben der Türkei zu den wichtigsten Unterstützern der Regierung von Fajis al-Sarradsch im Libyen-Konflikt. Deutschland tritt in diesem Konflikt als Vermittler auf und sieht seine Aufgabe vor allem darin, die Einmischung von aussen zu beenden - bisher mit mässigem Erfolg. Allerdings gibt es inzwischen einen Waffenstillstand in Libyen und Gespräche zwischen den Konfliktparteien.
Eine Sonderstellung nimmt bei den deutschen Rüstungsexporten Israel als Nummer drei in der Rangliste ein. Die Bundesregierung hat die Sicherheit Israels mit Blick auf die Ermordung von Millionen Juden zur Nazi-Zeit zur deutschen Staatsräson erklärt und deswegen sogar U-Boot-Lieferung mit Steuergeldern subventioniert.
UNGARN ZUM ZWEITEN MAL SPITZENREITER
Die lukrativsten Rüstungsgeschäfte macht die deutsche Rüstungsindustrie derzeit mit einem EU- und Nato-Partner. Allerdings handelt es sich mit Ungarn um eines der europäischen Partnerländer, mit denen die Bundesregierung derzeit die grössten politischen Probleme hat. Die dortige rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban rüstet derzeit massiv auf. Ein grosser Teil der Aufträge geht an Deutschland.
Im Juli erhielt Ungarn eine erste Lieferung von deutschen Leopard-2-Kampfpanzern aus der bayerischen Waffenschmiede Krauss-Maffei-Wegmann (KMW). Bei den Fahrzeugen handelt es sich zwar nur um vier gebrauchte Panzer des Modells Leopard 2 A4, die Schulungs- und Ausbildungszwecken dienen sollen. Von 2023 an sollen aber 44 neue Kampfpanzer des Modells Leopard 2 A7 folgen - die modernste Variante.
STARKER RÜCKGANG BEI KLEINWAFFEN
Deutschland gehört zu den grössten Rüstungsexporteuren der Welt. Gleichzeitig betont die Bundesregierung aber, dass sie auch mit die strengsten Exportrichtlinien weltweit hat. Erst 2019 wurden sie verschärft - vor allem, was die Lieferung von Kleinwaffen wie Gewehren oder Pistolen angeht. Sie ging 2020 von 69,5 auf 37,6 Millionen Euro deutlich zurück. Nur 1,5 Prozent entfielen auf die Drittländer. Die Kleinwaffen gelten als diejenigen Waffen, mit denen in Kriegen und Konflikten die meisten Menschen getötet werden.