«Die Party ist vorbei»: Ex-Premier Johnson tritt zurück
Boris Johnson stürzt nun doch über die «Partygate»-Affäre. Knapp ein Jahr nach seiner Rücktrittsankündigung als Premier legt er nun auch sein Mandat nieder. Mit Einsicht hat das aber wenig zu tun.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Rücktritt von Ex-Premierminister Boris Johnson als Abgeordnetem steht die britische Tory-Partei endgültig vor einer Zerreissprobe.
Der frühere Regierungschef fordert Amtsinhaber Rishi Sunak mit dem überraschenden Schritt direkt heraus. «Dies bedeutet de facto eine Spaltung der Konservativen Partei», sagte David Campbell-Bannerman von der Conservative Democratic Organisation, einer lautstarken Gruppe innerhalb der Partei, der BBC. «Wir werden uns um Boris scharen.» Der öffentlich-rechtliche Sender kommentierte, der Geist von Boris Johnson werde Sunak und die Konservative Partei weiter heimsuchen.
Der Rücktritt aus heiterem Himmel ist typisch für Boris Johnson. Der 58-Jährige kündigte am Freitag an, sein Parlamentsmandat mit sofortiger Wirkung abzugeben. «Die Party ist vorbei», titelte die «Times». Dabei liess der Populist im selben Atemzug ein grosses Fenster offen. Er verlasse das Unterhaus «zumindest vorerst».
Damit holt die «Partygate»-Affäre um illegale Feiern in Lockdown-Zeiten in der Downing Street den Ex-Premier und seine Partei endgültig ein. Ein Parlamentsausschuss, in dem auch mehrere Tories sitzen, kritisierte, Johnson habe das Unterhaus in dem Skandal belogen. Die vorgeschlagene Strafe: Zehn Tage Suspendierung – genug, um theoretisch eine Nachwahl in Johnsons Nordwestlondoner Wahlkreis auszulösen. Daraufhin warf der Ex-Premier hin, damit kommt es nun automatisch zu einer Abstimmung.
Sunak gilt in der Partei als «Königsmörder»
An Nach-Nachfolger Sunak liess Johnson indirekt kaum ein gutes Haar. Als er im Sommer 2022 – gedrängt von seiner Fraktion nach einer Reihe von Skandalen – aus der Downing Street auszog, habe die oppositionelle Labour-Partei nur geringen Vorsprung in den Umfragen gehabt. Dieser sei nun massiv gewachsen. Viele Parteimitglieder sehen Sunak als «Königsmörder», der mit seinem eigenen Rücktritt im Juli 2022 für Johnsons Aus verantwortlich sei.
Der Ausschuss untersucht, ob Johnson das Parlament in dem Skandal um illegale Lockdown-Partys in der Downing Street belogen hat – und hat diese Frage nun offensichtlich bejaht. Während der Corona-Pandemie hatten sich Regierungsbeschäftigte immer wieder entgegen der Vorschriften in der Downing Street und Behörden zu Feiern mit Alkohol und Musik getroffen. Johnson und Sunak mussten wegen ihrer Teilnahme an einer Veranstaltung jeweils eine Geldstrafe zahlen. Der Ex-Regierungschef betonte nun, der Ausschuss habe nicht einen «Schnipsel» eines Beweises für seine Verfehlungen vorgelegt.
Einige Tories hätten sich mit der Opposition zu einer «Hexenjagd» gegen ihn zusammengeschlossen, als Rache für den Brexit, behauptete Johnson. Der «antidemokratische» Ausschuss habe von Anfang an vorgehabt, ihn schuldig zu sprechen. Der Brief triefe vor Wut, kommentiert der TV-Sender Sky News. Doch für Premier Sunak könnte er ernste Folgen haben. In London schwirren Gerüchte herum, weitere Abgeordnete würden ihren Rücktritt vorbereiten. Das würde – in Zeiten schlechter Umfragewerte der Tories – Nachwahlen auslösen.
«Der heutige Abend ist für Rishi Sunak zutiefst peinlich, denn seit er Premierminister geworden ist, hat er versucht, sich selbst als alles zu definieren, was Boris Johnson nicht war», schreibt die BBC. Transparenz und Verantwortung hatte Sunak versprochen.
Tritt «Boris» 2024 wieder an?
Doch tanzen ihm Johnson und Kumpane weiterhin offensichtlich auf der Nase herum. Johnson sei ein politischer Titan, sagte Johnsons Vertraute Priti Patel. Knapp zwei Drittel der Tory-Wähler denken einer Umfrage zufolge weiter positiv über «Boris», den viele noch immer als einzigen geeigneten Wahlkämpfer der Tories sehen. Nicht ausgeschlossen, dass der strahlende Wahlsieger von 2019 bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl doch wieder antritt.
Etwas Gegenwind aber gibt es dann doch für Johnson. Als Reaktion auf Johnsons Rundumschlag lässt der Parlamentsausschuss mitteilen, der Ex-Premier untergrabe die Integrität des Unterhauses. Der Bericht soll nun bald veröffentlicht werden. «Nicht eine Minute» dürfe man denken, dass dies das Ende von Boris Johnson sei», kommentiert der BBC-Korrespondent Chris Mason. Vielmehr sei es wieder einmal ein Tag für das, was Johnson am besten kann: Schlagzeilen machen.