Appell zum Artenschutz bei UN-Konferenz in Paris
Das Wichtigste in Kürze
- Weltbiodiversitätsrat: Entwicklung «mindestens genauso» bedrohlich wie Klimawandel.
Die Zerstörung der Artenvielfalt bedrohe den Menschen «mindestens genauso» wie der Klimawandel, sagte der Präsident des Biodiversitätsrats der UNO (IPBES), Robert Watson, am Montag zum Auftakt des Treffens. Diplomaten und Wissenschaftler der rund 130 Mitgliedstaaten beraten noch bis zum Wochenende über Handlungsempfehlungen für die Politik.
«Die Belege sind unbestreitbar: Die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme hat ein Niveau erreicht, das unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie der durch den Menschen verursachte Klimawandel», betonte Watson. Gastgeber in Paris ist die UN-Kulturorganisation Unesco. Deren Generaldirektorin Audrey Azoulay sprach von der «Dringlichkeit der Lage».
Erstmals seit 2005 soll nach dem Abschluss der Konferenz am 6. Mai ein globaler Zustandsbericht veröffentlicht werden. Dafür haben 150 Experten aus 50 Ländern drei Jahre lang tausende Studien zur Artenvielfalt ausgewertet.
Der vorläufige Bericht zeichnet ein düsteres Bild: Demnach sind bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Viele von ihnen könnten bereits in den kommenden Jahrzehnten verschwinden. Besonders bedroht sind Insekten - ihre Zahl hat sich in Europa in den vergangenen drei Jahrzehnten bereits um rund 80 Prozent verringert.
Wissenschaftler sprechen von einem «Massenaussterben» - dem sechsten seit Beginn der Erdgeschichte und dem ersten seit Ankunft des Menschen. Laut dem vorläufigen UN-Bericht ist der Mensch in vielen Fällen auch verantwortlich für die Zerstörung: Die Wissenschaftler listen Landwirtschaft, Abholzung, Bergbau, Fischerei und Jagd als wichtigste Gründe für das Artensterben auf.
Der deutsche Grünen-Chef Robert Habeck forderte vor allem ein Umsteuern in der Landwirtschaft. Dazu gehöre auch «eine grundlegende Reform der EU-Agrarförderung», sagte Habeck der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. «Die Landwirte werden ökonomisch gezwungen, immer intensiver zu arbeiten», kritisierte Habeck. «Dadurch verlieren viele Tiere Lebensraum.»
Auch Umweltschützer forderten politische Konsequenzen: «Wir holzen zu viel Wald ab», erklärte die Organisation WWF. «Wir zerschneiden den Lebensraum von Pflanzen und Tieren mit Strassen, Schienen und Siedlungen.» Damit säge der Mensch am Ast, auf dem er sitze, erklärte der WWF-Experte für Biodiversität, Günter Mitlacher.
Zuvor hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärt: «Das Artensterben ist eine ähnlich grosse globale Herausforderung wie der Klimawandel.» Sie äusserte die Hoffnung auf ähnliche Lösungsansätze wie beim Pariser Klimaabkommen, das 2015 verabschiedet worden war. Der Biodiversitätsrat der UNO wird oft mit dem Weltklimarat verglichen, der mit seinen Studien Wegbereiter für das Pariser Abkommen war.
Scharfe Kritik an Umweltministerin Schulze kam von der FDP: Die umweltpolitische Sprecherin Judith Skudelny erklärte, die Ministerin wirke «völlig überfordert». Skudelny betonte: «Das gross aufgebauschte Aktionsprogramm Insektenschutz ist noch nicht mal umgesetzt. In Deutschland sehen wir, dass das Artensterben sogar in Naturschutzgebieten stattfindet.»