Erkältung durch regelmässiges Lüften im Winter wahrscheinlicher?
Häufiges Fensterlüften hält die Viruslast in geschlossenen Räumen klein. Aber sollte man auch lüften, wenn es draussen kalt ist, oder droht eine Erkältung?
Das Wichtigste in Kürze
- Häufiges Lüften reduziert die Viruslast in geschlossenen Räumen.
- Frischluft bleibt auch im Winter ein wichtiger Teil im Kampf gegen Corona.
- Trotz der kalten Luft soll es nicht zu mehr Erkältungen kommen.
Fensterlüften zur Reduktion der Viruslast ist während der Corona-Pandemie zur Norm geworden. Doch wie sieht es im Winter aus? Offene Fenster bei kalter Aussenluft sorgen für eine Erkältung – so der Volksglaube. Diese Sorge sei aber unberechtigt, sagt der HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing.
Im Gegenteil sei es wahrscheinlicher, sich in einem schlecht gelüfteten Raum bei anderen anzustecken. Stosslüften bei weit geöffneten Fenstern sorgt für einen schnellen Luftaustausch und hält die Viruskonzentration in der Luft klein.
Erkältung trotz Lüften unwahrscheinlich
Zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus empfiehlt Junge-Hülsing daher, auch in kalten Monaten nicht auf Frischluft zu verzichten. Ohnehin würden Räume mit durchschnittlich rund 23 Grad auf eine viel zu hohe Temperatur gebracht. Der Mensch könne problemlos auch bei 18 oder 19 Grad zurechtkommen. «Es ist dann so, dass man nicht mehr im T-Shirt da sitzen kann, sondern mit einem Pullover», sagt Junge-Hülsing.
Räume regelmässig zu lüften, ist eine empfohlene Massnahme im Kampf gegen die Ausbreitung von Sars-CoV-2 etwa in Schulen und Büros. Wenn man nicht die ganze Zeit lüften könne, sei stündliches Lüften für mehrere Minuten zu empfehlen. Das Coronavirus überlebe zwar länger bei kalter Luft. «Aber wenn viel Viruslast in der Luft ist, dann wird man sich in kalten wie in warmen Räumen anstecken.»
CO2-Wert kann Zeitpunkt anzeigen
Eine CO2-Ampel könne anzeigen, wann es Zeit zum Lüften sei, erklärt Martin Kriegel von der Technischen Universität Berlin. CO2 breite sich ähnlich aus wie Aerosole. «Wir merken leider nicht, wann der Raum schlecht gelüftet ist.»
Genau dabei helfe die CO2-Ampel. Als Orientierungszahl für einen guten Luftwechsel gilt laut Umweltbundesamt ein CO2-Wert von maximal 1000 ppm (parts per million; Teile pro Million).
Um sich gegen die Gefahr einer Erkältung in der kalten Jahreszeit zu schützen, gibt es laut HNO-Arzt Junge-Hülsing mehrere Möglichkeiten: die Schleimhäute nicht austrocknen lassen, wenig rauchen, sich warm anziehen, viel trinken und sich vitaminreich ernähren.
Schal beugt steifen Nacken vor
Allerdings können kalte Aussentemperaturen bei geöffneten Fenstern auch einen steifen Nacken begünstigen. Den Zusammenhang erklärt Bernd Kladny von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU): «Durch Zugluft kühlt die Haut an unbedeckten Stellen wie am Nacken aus. Dadurch kann es dazu kommen, dass die Muskulatur darunter verspannt.»
Mittelfristig könne eine gute Muskulatur davor schützen, so der Orthopäde von der Fachklinik Herzogenaurach. Ein Schal um den Hals helfe gegen die lästige Verspannung. Zudem schützt er vor einer Erkältung.
Zugluft führe aber nicht automatisch zu einem verspannten Nacken, betont Kladny. Mitunter trage auch die eigene Sorge vor kalter Luft zu Verspannung bei: «Wenn Sie schon die Erwartungshaltung haben, dass es kalt ist und zieht, dann spannen Sie sich ja schon an.»
So oder so: In der Corona-Pandemie habe der Infektionsschutz Vorrang vor Problemen an Nacken und Schulter. Eine Erkältung sollte dennoch vorgebeugt werden.
Regelmässiges Lüften in Schulen und am Arbeitsplatz
Speziell im Hinblick auf die Situation in Klassenzimmern empfehlen auch andere Experten regelmässiges Lüften in kurzen Abständen. Eine Notwendigkeit für Raumluftfilter sehen sie hingegen nur in Einzelfällen. Zur Vermeidung von Corona-Infektionen können solche Geräte in Räumen, die nicht über komplett zu öffnende Fenster verfügen, flankierend sinnvoll sein.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) rät in einer kürzlich veröffentlichten Empfehlung ebenfalls zum Lüften. Aber auch zum Einsatz von Raumluftfiltern. Dabei sei es jedoch wichtig, den Aussenluftanteil der Geräte zu erhöhen und den Umluftanteil zu verringern. Somit sollen virenhaltige Aerosole nicht erneut in den Raum gelangten, heisst es darin.