Ermittlungen nach publik gewordenem Haftbefehl aufgenommen
Die Veröffentlichung eines Haftbefehls zum Tötungsdelikt in Chemnitz (GER) zieht nun Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach sich.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Haftbefehl zum Tötungsdelikt in Chemnitz (GER) ist im Internet aufgetaucht.
- Das Dokument enthielt heikle Details, unter anderem Einzelheiten der mutmasslichen Täter.
- Die sächsische Staatsanwaltschaft nimmt nun Ermittlungen zur Veröffentlichung auf.
Neben breiter Empörung welche durch einen publik gewordenen Haftbefehl zum Tötungsdelikt in Chemnitz (GER) ausgelöst wurde, leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein. Dies teilt das sächsische Justizministerium heute Mittwoch in Dresden mit. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte den Vorgang «vollkommen inakzeptabel». Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) befürchtet einen Schaden für die weiteren Ermittlungen zu dem Tötungsdelikt. Der Urheber des Lecks war zunächst unklar.
Das Dokument tauchte im Internet teilweise geschwärzt auf verschiedenen Seiten auf. Der Haftbefehl gegen einen Iraker, der neben einem Syrer wegen des Verdachts der Tötung eines 35-jährigen Deutschen in Chemnitz in Untersuchungshaft sitzt, wurde unter anderem von der rechtspopulistischen Organisation Pro Chemnitz, einem AfD-Abgeordneten und Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann veröffentlicht.
Haftbefehl enthält heikle Details
In dem Dokument werden die Namen des Opfers, der Richterin und Einzelheiten zu den mutmasslichen Tätern genannt. Zudem wird beschrieben, wie oft auf das Opfer eingestochen worden war. Der Eintrag wurde inzwischen wieder weitgehend gelöscht. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Dresden geht von der Echtheit des Dokuments aus. Die Prüfungen dazu seien aber noch nicht abgeschlossen, sagte Sprecher Lorenz Haase.
Der Vorfall müsse «schnellstens aufgeklärt und die notwendigen strafrechtlichen Konsequenzen gezogen werden», erklärte das sächsische Justizministerium. Nach Angaben des Landesinnenministeriums ist noch «völlig unklar, wer für das Leck verantwortlich ist». Es müsse «nicht zwingend auf Behördenebene liegen, ein Haftbefehl wird an alle Beteiligten des Verfahrens ausgereicht». Pro Chemnitz schrieb bei Facebook, der Haftbefehl sei der Organisation «zugespielt» worden.
Nach Angaben des Amtsgerichts Chemnitz, das die Haftbefehle gegen die beiden Tatverdächtigen ausstellte, haben neben dem Gericht die Staatsanwaltschaft Chemnitz, die Polizei, die Justizvollzugsanstalt und die Vorführbeamten, die die Beschuldigten auf Transporten begleiten, Zugang zu dem Dokument. Verteidiger hatten die Tatverdächtigen demnach noch nicht.
«Völlig inakzeptabel»
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums nannte die Veröffentlichung im Netz «völlig inakzeptabel». Seehofer sagte in Berlin, es könne nicht sein, dass «hochpersönliche Dinge, aber auch interne Abläufe der Justiz» öffentlich würden. «Da muss man alle Möglichkeiten prüfen, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen», sagte der Minister. Die Vorfälle in Chemnitz waren auch Thema im Bundeskabinett.
Gemkow sagte im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), wenn Zeugennamen offengelegt würden, dann bestehe die Gefahr der Einflussnahme «und das wäre für das Verfahren eine Katastrophe». Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach im MDR von einer Straftat. Nach Angaben der Polizei drohen bei einer Verletzung von Dienstgeheimnissen und einer besonderen Geheimhaltungspflicht bis zu fünf Jahre Haft.
Nach der Tötung des 35-Jährigen war es am Sonntag und Montag in Chemnitz zu Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, an denen sich Rechtsextreme und radikale Hooligans beteiligten. Dabei gab es zahlreiche Verletzte.
Das sächsische Landeskriminalamt und die Polizeidirektion Chemnitz bildeten am Mittwoch dazu eine gemeinsame Ermittlungsgruppe, um «Straftäter schnell zu überführen», wie es hiess. Auch der Innenausschuss des Landtags wird sich am Montag auf Antrag der Grünen mit den Ausschreitungen befassen.
Rechte rufen zu weiteren Demonstrationen auf
Unterdessen rufen rechte Organisationen zu weitere Demonstrationen in Chemnitz auf. Für Donnerstagabend kündigte Pro Chemnitz eine Kundgebung an, während Kretschmer zeitgleich bei einem Bürgerforum in der Stadt spricht. Die AfD und die fremdenfeindlich Pegida-Bewegung wollen am Samstag einen sogenannten Schweigemarsch veranstalten.
In Köln demonstrierten am Dienstagabend nach Polizeiangaben wegen der Ereignisse in Chemnitz sowohl rechte Gruppen als auch Gegendemonstranten. Der dem rechten Lager zuzuordnende Verein Begleitschutz Köln mobilisierte etwa 120 Menschen, dagegen demonstrierten rund 400 Menschen. In Hamburg versammelten sich am Dienstag rund 2600 Menschen unter dem Motto «Kein Fussbreit dem Faschismus».