EU-Behörde gibt grünes Licht für Impfstoff für Kinder
Jetzt stehen die Eltern vor der Entscheidung: Die europäischen Experten geben den Impfstoff von Pfizer/Biontech auch für Kinder frei. Was tun? In Deutschland klagen manche darüber, dass gar nicht gleich alle geimpft werden können.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Weg für Corona-Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren ist frei.
Die EU-Arzneimittelbehörde EMA gab am Freitag grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs der Hersteller Biontech und Pfizer.
Druck auf die Eltern, ihre Kinder impfen zu lassen, soll es in Deutschland aber nicht geben. Eine Impfpflicht werde nicht eingeführt, auch die Sicherheit des Schulbesuchs solle unabhängig von Impfungen gewährleistet sein, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Vom 7. Juni an können sich auch Beschäftigte in Tausenden Betrieben gegen Corona impfen lassen.
EMA: «Anwendung bei Kindern sicher»
Die EMA mit Sitz in Amsterdam empfiehlt nun erstmals in der EU einen Impfstoff auch für Menschen unter 16 Jahren. «Wir haben Daten, die zeigen, dass die Anwendung bei Kindern sicher ist», sagte der Direktor für Impfstrategien, Marco Cavalleri. Zuvor hatte ein Expertenausschuss über den Antrag des deutschen Herstellers Biontech und des US-Konzerns Pfizer beraten. Diese hatten Studien vorgelegt, die nach EMA-Angaben eine sehr gute Wirksamkeit und gute Verträglichkeit bei 12- bis 15-Jährigen belegen. Die EU-Kommission muss noch zustimmen. Das gilt als Formsache.
Durch die Entscheidung wird die Diskussion über die Impfung von Kindern weiter angeheizt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland hatte angedeutet, dass sie möglicherweise auch im Fall einer EMA-Zulassung keine Impfempfehlung für alle Kinder geben will, sondern nur für Kinder mit Vorerkrankungen. Bisher war der Biontech-Impfstoff in der EU nur ab 16 zugelassen. In Kanada und den USA ist die Anwendung auch bei 12- bis 15-Jährigen bereits seit mehreren Wochen erlaubt.
Der Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung lag nach einer Studie der Hersteller bei 12- bis 15-Jährigen bei 100 Prozent. Nach der Impfung gebe es höchstens leichte Reaktionen, aber keinerlei Anzeichen für schwere Nebenwirkungen, so die EMA.
Kein zusätzlicher Impfstoff
Am Donnerstag hatten Bund und Länder festgelegt, dass sich bei grünem Licht aus Amsterdam Kinder ab 12 Jahren in Deutschland vom 7. Juni an impfen lassen dürfen. Dann können sich auch Kinder von zwölf bis 16 Jahren - beziehungsweise die Eltern - um einen Termin bemühen. Bis Ende des Sommers solle allen ein Impfangebot gemacht werden, bekräftigte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zusätzlichen Impfstoff soll es dafür aber nicht geben - anders als von den Gesundheitsministern von Bund und Ländern beschlossen.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) warf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) deshalb fehlerhafte Kommunikation vor. «Alle sind eigentlich davon ausgegangen, dass «zusätzlich» bedeutet, dass der Bund, der für die Zulieferung von Impfstoffen zuständig ist, zusätzliche Impfdosen zur Verfügung stellt, und dass das auch möglich ist», sagte Dreyer dem Sender Phoenix. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, «das insgesamt gemeinsam mit den Ärzten auch hinzubekommen».
Flächendeckende Impfungen «nicht gerechtfertigt»
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der «Welt», vieles spreche dafür, dass das Risiko von Kindern und Jugendlichen, an Corona schwer zu erkranken, sehr gering sei. «Insofern sind aus meiner Sicht flächendeckende Impfungen von Kindern und Jugendlichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.»
Für Impfungen in Betrieben haben inzwischen mehr als 6000 Betriebsärzte eine Bestellung aufgegeben, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Sie sollen in der zweiten Juniwoche 702.000 Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer bekommen - jeder eine zugesicherte Mindestmenge von 102 Dosen. «Geimpft werden kann flächendeckend - in den grossen Betrieben ebenso wie in kleinen und mittleren», sagte eine Ministeriumssprecherin.
Derzeit werden in Deutschland weiter mehr Zweit- als Erstimpfungen gemacht. 42,1 Prozent (35 Millionen) der Bevölkerung sind mindestens einmal geimpft und 16,4 Prozent (13,7 Millionen) vollständig.
Der Bundesrat stimmte mehreren Änderungen an der Corona-Notbremse des Bundes zu. Kinder zwischen 6 und 16 Jahren müssen nun keine FFP2-Masken tragen müssen - für sie reicht die meist blaue OP-Maske aus. Ausserdem müssen Hochschulen keinen Wechselunterricht mehr anbieten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warf der Politik vor, nicht langfristig zu planen. «Jüngstes Beispiel ist der digitale Impfnachweis, der ab Ende Juni verfügbar sein soll - und damit erst einen Monat nach Beginn der Massenimpfungen», sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.