EU-Parlament will neue Fernfahrer-Regeln

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Belgien,

Wäsche trocknen zwischen Lkws, kochen auf dem Gaskocher, schlafen in engen Kabinen: Der Arbeitsalltag vieler Fernfahrer in Europa ist belastend. Die EU will gegensteuern, kam aber bislang nur langsam voran. Das EU-Parlament hat jetzt für neuen Schwung gesorgt.

Das EU-Parlament will die Arbeitsbedingungen der europäischen Fernfahrer verbessern. Lkw-Fahrer sollen etwa mindestens alle vier Wochen nach Hause zurückkehren dürfen. Foto: Martin Schutt
Das EU-Parlament will die Arbeitsbedingungen der europäischen Fernfahrer verbessern. Lkw-Fahrer sollen etwa mindestens alle vier Wochen nach Hause zurückkehren dürfen. Foto: Martin Schutt - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sie sind wahre Arbeitsnomaden der Strasse: Lkw-Fahrer, die zum Teil wochen- oder monatelang quer durch Europa unterwegs sind, ohne je ihre Heimat zu sehen.

Dazu kommen eine oft schlechte Bezahlung, miserable Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg und extremer Zeitdruck.

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf EU-Ebene liess bislang auf sich warten. Doch jetzt ist es damit einen entscheidenden Schritt vorangegangen. Das EU-Parlament stimmte am Donnerstag in Brüssel mit teils knapper Mehrheit für ein ganzes Paket an möglichen Massnahmen - rund zwei Jahre, nachdem die EU-Kommission entsprechende Vorschläge auf den Tisch gelegt hat. Bevor neue Vorgaben jedoch in Kraft treten können, muss ein Kompromiss mit den Mitgliedstaaten gefunden werden - Zeitplan bislang unklar.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sind Verbesserungen lange überfällig. Stanislava Rupp-Bulling vom DGB-Projekt «Faire Mobilität» berät regelmässig Fernfahrer aus Osteuropa auf Rastplätzen rund um Stuttgart zu ihren Rechten. «Es ist beschämend, was man dort sieht», sagt sie. «Viele Fahrer hausen unter menschenunwürdigen Bedingungen.»

Weil sie sich das Essen in den Raststätten nicht leisten könnten, bereiteten viele sich notdürftig ihre Mahlzeiten auf Gaskochern zu, erzählt Rupp-Bulling. Wochen- oder monatelang sähen manche Fahrer ihre Familien nicht. «Sie leben in ihren Lkw-Kabinen.» Es fehle an Platz auf den Rasthöfen, weshalb Transporter oft auf Seitenstreifen parkten - gefährlich, nicht nur für die Fahrer.

Noch dazu machten osteuropäische Speditionen regelmässig die Fahrer dafür verantwortlich, auf die Ladung aufzupassen. Schlügen Diebe zu, werde das vom ohnehin kärglichen Lohn abgezogen. «Die meisten Fahrer sagen: Ich bin nicht zufrieden mit meiner Situation, aber ich muss es machen, um meine Familie zu ernähren», sagt Rupp-Bulling.

Gegen eine ganze Reihe dieser Probleme will nun auch das EU-Parlament vorgehen. Nach erbitterten Debatten und diversen Versuchen vor allem von osteuropäischen Abgeordneten, die Abstimmung noch zu verhindern, steht ein Kompromiss. Er sieht vor, dass Lkw-Fahrer mindestens alle vier Wochen nach Hause zurückkehren dürfen sollen. Ihre reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden sollen sie zudem nicht mehr in der Kabine verbringen dürfen.

Auch die Regeln für den Mindestlohn sollen sich ändern. Dabei schlägt das Parlament Ausnahmen vor. So soll es zwar erlaubt sein, dass Fahrer etwa bei Direkttransporten zwischen zwei Ländern weniger verdienen als Kollegen aus dem Zielland. Aber sobald ein Lkw zum Beispiel Lieferungen innerhalb eines fremden Markts übernimmt - also bei der umstrittenen Kabotage - soll der Fahrer den dortigen Mindestlohn bekommen.

Kabotage soll ausserdem nur unter Auflagen erlaubt bleiben. Kritiker sehen diese Praxis bisher als Wettbewerbsverzerrung und fürchten Lohndumping. Zum Beispiel sind auf deutschen Strassen oft Lkw-Fahrer aus Osteuropa unterwegs, die nach den dortigen niedrigeren Löhnen bezahlt werden.

Die Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten hatten sich bereits im Dezember nach zähen Verhandlungen auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Doch das EU-Parlament hinkte hinterher. Erst zeigte sich der zuständige Ausschuss völlig zerstritten. Dann reichten Gegner der Reform mehr als 1000 Änderungsanträge ein. Parlamentspräsident Antonio Tajani sah sich daraufhin gezwungen, die eigentlich schon für die vergangene Woche angesetzte Abstimmung zu verschieben, damit Ordnung in den Wirrwarr gebracht würde.

Die zahllosen Änderungsanträge seien das Werk destruktiver Kräfte gewesen, die eine Abstimmung um jeden Preis verhindern wollten, sagt der SPD-Abgeordnete Isamil Ertug, der den nun erzielten Kompromiss entscheidend mit ausgehandelt hat. Er sieht ihn als «wichtigen Schritt hin zu einem geordneten und vor allem humaneren Transportsektor».

Doch warum sorgt das Thema für so viel Streit? Sollten sich nicht alle darauf einigen können, dass Lastwagenfahrer anständige Arbeitsbedingungen brauchen - und sei es nur, weil übermüdete Fahrer ein Sicherheitsrisiko darstellen?

Hinter dem Konflikt stecken vor allem die gegensätzlichen Interessen verschiedener Mitgliedstaaten. Während Länder wie Frankreich, Deutschland und Belgien erreichen wollen, dass der Mindestlohn durchgesetzt wird, fürchten Länder wie Rumänien, Bulgarien und Polen um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Logistikunternehmen.

Nun bleibt abzuwarten, wie schnell die neuen Regeln kommen. Der CDU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch geht davon aus, dass noch in diesem Jahr ein Kompromiss mit den Mitgliedstaaten gefunden werden kann. Ob damit wirklich das Nomadentum der Strasse beendet wird? Daran haben Gewerkschaften und Grüne im EU-Parlament schon jetzt Zweifel angemeldet.

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