EU reagiert mit massiver Aufrüstung auf Trump
Die EU will nicht länger auf die US-Verteidigungshilfe bauen und selbst aufrüsten. Beim Gipfel wurden dafür 150 Mrd. Euro an Krediten beschlossen

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Länder beschliessen eine massive Aufrüstung, die sie mit Krediten unterstützt.
- Mit dem Vorschlag eines nuklearen Schutzschirmes blitzt Macron aber ab.
- Die EU bekräftigt die Unterstützung der Ukraine, auch mit Waffen – jedoch ohne Orban.
Mit einem massiven Aufrüstungsprogramm reagiert die EU auf die aussenpolitische Kehrtwende der USA unter Präsident Donald Trump. Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten stellten sich bei ihrem Krisengipfel in Brüssel grundsätzlich hinter die Initiative der EU-Kommission, nach der bis zu 150 Milliarden Euro an Krediten für Verteidigungsinvestitionen bereitgestellt und Ausnahmen in den EU-Schuldenregeln für Verteidigung ermöglicht werden sollen. Bei der weiteren Unterstützung der Ukraine gab es dagegen keine Einigung: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban – ein Freund Trumps – scherte aus.

Seit Trumps Amtsantritt wachsen in der EU die Zweifel daran, dass Europa noch auf den Schutz der USA, vor allem vor der Bedrohung aus Russland, zählen kann. Das Treffen in Brüssel war eine Reaktion darauf.
In der Abschlusserklärung aller 27 EU-Spitzen heisst es, die EU werde «ihre allgemeine Verteidigungsbereitschaft erhöhen, ihre strategischen Abhängigkeiten verringern, ihre kritischen Fähigkeitslücken schliessen und die europäische verteidigungstechnologische und -industrielle Basis stärken».
«Entscheidender Moment für Europa»
Eine Grundlage der Beratungen war ein Anfang der Woche von der EU-Kommission vorgestellter Plan mit dem Namen «ReArm Europe» (etwa: Europa wieder aufrüsten). Ziel ist es, mit mehreren Massnahmen insgesamt fast 800 Milliarden Euro zu mobilisieren. Unter anderem soll die Europäische Investitionsbank (EIB) ihre Regeln für die Kreditvergabe so ändern, dass mehr Investitionen in Rüstungsprojekte gefördert werden können.
«Dies ist ein entscheidender Moment für Europa», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits zu Beginn des Gipfels. «Europa sieht sich einer klaren und gegenwärtigen Gefahr gegenüber, und deshalb muss Europa in der Lage sein, sich selbst zu schützen, sich zu verteidigen.»
Nur 26 Staaten bekräftigen Ukraine-Unterstützung
Bei der Ukraine-Hilfe konnten sich dagegen nur 26 Mitgliedstaaten einigen – ohne Orban. Schon vor dem Gipfeltreffen in Brüssel hatte der ungarische Regierungschef seine Blockadehaltung in einem Brief an EU-Ratspräsident Antonio Costa deutlich gemacht. Es gebe «strategische Unterschiede in unserem Ansatz gegenüber der Ukraine», schrieb er. Die EU solle dem Beispiel der USA folgen und direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und eine Einigung führen.

In einer Erklärung der 26 Staats- und Regierungschefs bekräftigen sie, dass sie die «Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen» weiterhin und uneingeschränkt unterstützen – inklusive Waffenlieferungen. Ausserdem fordern sie für eine Beendigung des Krieges unter anderem glaubwürdige Sicherheitsgarantien und keine Friedensverhandlungen ohne ukrainische oder europäische Vertreter.
Weiterhin werden die EU-Kommission, die Slowakei und die Ukraine aufgerufen, ihre Bemühungen für eine Lösung der Gasversorgung der Slowakei zu verstärken. Die Erwähnung dieser slowakischen Forderung war eine Bedingung des linksnationalen Ministerpräsident Robert Fico, der Erklärung zuzustimmen.
Die Ukraine stellte, wie lange davor angekündigt, zu Jahresbeginn die Durchleitung von russischem Gas durch ihr Territorium in mehrere EU-Länder ein. Seitdem liegt sie im Streit mit ihrem Nachbarland Slowakei.
Gedemütigter Selenskyj wird mit offenen Armen empfangen
Zu dem Gipfel reiste auch Wolodymyr Selenskyj an, um sich bei der EU für die bisher geleistete Hilfe zu bedanken. «Sie haben ein starkes Signal an das ukrainische Volk, an die ukrainischen Krieger, an die Zivilbevölkerung, an alle unsere Familien gesendet», sagte er.
«Wir sind sehr dankbar, dass wir nicht allein sind. Das sind nicht nur Worte. Wir fühlen es.» Der zuletzt bei seinem Besuch im Weissen Haus gedemütigte ukrainische Präsident wurde in Brüssel mit offenen Armen empfangen.
Nuklearer Schutzschirm: Scholz lässt Macron abblitzen
Für Gesprächsstoff sorgte der französische Präsident Emmanuel Macron mit seinem erneuten Vorstoss für einen europäischen nuklearen Schutzschirm, der auf französischen Atomwaffen basiert. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äusserte sich zurückhaltend dazu. Der SPD-Politiker sprach sich dafür aus, die bestehende nukleare Abschreckung der Nato beizubehalten, die auf den Atomwaffen der USA basiert. «Und ich glaube, das soll nicht aufgegeben werden, ist die gemeinsame Auffassung aller zentralen Parteien in Deutschland.»
Merz gab Anstoss für Macrons Initiative
Zuvor hatte Macron als Reaktion auf Trumps Kurswechsel seine schon fünf Jahre alten Überlegungen zu einer gemeinsamen nuklearen Abschreckung bekräftigt. Er hatte dabei an eine Aussage des potenziellen Nachfolgers von Scholz – CDU-Chef Friedrich Merz – angeknüpft. «Als Antwort auf den historischen Aufruf des zukünftigen deutschen Kanzlers habe ich beschlossen, die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen.» Die Entscheidungshoheit über einen Einsatz will er aber allein bei Frankreich belassen.
Merz hatte kurz vor der Bundestagswahl im ZDF gesagt, man müsse mit den europäischen Atommächten Grossbritannien und Frankreich über nukleare Zusammenarbeit reden. Die Frage einer grösseren nuklearen Unabhängigkeit Europas sei in der Fachwelt schon seit Jahren Thema. «Nur sie ist leider in der politischen Welt bis heute nicht ausreichend diskutiert worden.»
Noch etwa 100 US-Atombomben in Europa stationiert
Die USA haben Expertenschätzungen zufolge noch etwa 100 Atombomben in Europa stationiert – einige davon sollen auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern. Im Ernstfall sollen sie von Kampfjets der Bundeswehr eingesetzt werden. Auch in Belgien, den Niederlanden, Italien und in der Türkei sollen noch US-Atombomben stationiert sein. Offizielle Angaben gibt es dazu nicht.