EU umwirbt Grossbritannien nach Brexit
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien und die EU sind sich weiterhin uneinig über die künftigen Beziehungen.
- Die EU plädiert für engere Beziehungen und mehr vertragliche Verbindungen.
- Gleichzeitig könne man den Briten nicht alle Vorteile eines Mitgliedstaates geben.
Die Europäische Union drängt Grossbritannien nach dem Brexit zu einer engeren Partnerschaft als von London angekündigt. «Natürlich kann sich das Vereinigte Königreich mit weniger zufrieden geben.» Das sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg. «Aber ich persönlich glaube, dass wir sehr viel ehrgeiziger sein sollten.»
Verbindliche Standards und Regeln gefordert
Für ein umfassendes Handelsabkommen ohne Zölle und Kontingente fordert die EU allerdings die Festlegung vergleichbarer Standards und Regeln. Das hatte der britische Premierminister Boris Johnson zuletzt rundweg abgelehnt. Das EU-Parlament und die EU-Staaten wollen diese Linie sogar noch nachschärfen, bevor die Verhandlungen mit Grossbritannien Anfang März beginnen. Die Hürden sind deshalb hoch.
Grossbritannien hatte die EU am 31. Januar um Mitternacht verlassen. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist, in der sich im Alltag zunächst kaum etwas ändert. In dieser Zeit soll ein Partnerschaftsabkommen vereinbart und ratifiziert werden.
Knackpunkt für die EU: Sie befürchtet unfaire Konkurrenz, falls Grossbritannien Umwelt-, Sozial- und Beihilferegeln aufweicht und mit Niedrigsteuern lockt. Und das EU-Parlament fordert in einer Resolution eher noch mehr Garantien als die EU-Kommission.
Johnson hatte Dumping in einer Rede Anfang Februar weit von sich gewiesen. Er hatte betont, Grossbritannien werde auch künftig hohe Standards einhalten. Nur wolle man dies nicht vertraglich festlegen.
Austritt muss auch Nachteile haben
Von der Leyen widersprach deutlich: «Lassen Sie uns das formal vereinbaren, dann können wir einen dynamischen Aufwärts-Wettbewerb auslösen. Von dem profitieren sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Europäische Union.»
Die EU will zwar möglichst wenig Schwierigkeiten für die eigene Wirtschaft nach Ablauf der Brexit-Übergangsfrist Anfang 2021. Doch beharrt sie auch darauf, dass ein EU-Austritt Nachteile bringt.
«Tatsache ist, dass das Vereinigte Königreich freiwillig unsere Staatengemeinschaft verlassen hat. Als Drittstaat kann es eben nicht dieselben Rechte und Vorteile wie ein Mitglied der EU geniessen.» Das sagte der CDU-Brexitexperte David McAllister der Nachrichtenagentur DPA.
Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan betonte in der Debatte, es gehe bei den Verhandlungen mit London auch um die Zukunft der EU: Davon hänge ab, ob andere Mitgliedsstaaten eine Zukunft ausserhalb der EU als Perspektive oder attraktives Entwicklungsmodell sähen.