Europa setzt im Wettbewerb mit den Streaming-Riesen auf Grösse
Im weltweiten Wettbewerb bei Streaming-Angeboten bilden sich grosse neue Kooperationen heraus. In den USA gab der Telekomriese AT&T die Abspaltung seiner Sparte Warnermedia und deren Zusammenlegung mit dem TV-Konzern Discovery bekannt.
Das Wichtigste in Kürze
- Nur wenige Stunden später folgte am Montagabend eine Ankündigung in Frankreich, über die schon länger spekuliert worden war: Die grossen TV-Sendergruppen TF1 und M6 wollen bis Ende 2022 fusionieren.
Auch in Deutschland verfolgen TV-Konzerne das Ziel, im Inland ihre Marktposition zu verbessern.
Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, der auch an der Spitze der zum Konzern gehörenden RTL Group steht, platziert seit geraumer Zeit den Begriff der «nationalen Champions» in Europa. Die Idee: Im jeweiligen Inland bilden sich Konzerne mit Streaming-, TV- und Bewegtbild-Angeboten so stark aus, dass sie lokal den internationalen Streaming-Riesen wie Netflix, Disney und Amazon etwas entgegensetzen können.
Seit Jahren wandelt sich der Markt. Neben dem fortlaufenden Fernsehprogramm ist ein riesiger Streaming-Wettbewerb entstanden. Es gibt Abo-Modelle, aber auch der Werbemarkt spielt eine grosse Rolle.
Die Produktion von Streaming-Inhalten wird dadurch angeheizt. Das spüren in Deutschland auch die öffentlich-rechtlichen Sender. Die 1920er Jahre-Krimiserie «Babylon Berlin» von ARD, Sky und weiteren Partnern verkaufte sich in mehr als 100 Länder. Die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl sagte unlängst im dpa-Interview: «»Babylon Berlin« war der erste Schritt hin zu international konkurrenzfähigen Serien-Projekten.»
In der Nacht zu Dienstag gab es schon die nächsten Berichte: Amazon soll demnach über den Kauf des traditionsreichen Hollywood-Studios MGM verhandeln. Mit der Übernahme bekäme Amazon die James-Bond-Filmreihe sowie eine Bibliothek aus mehr als 4000 Streifen wie «Rocky» und «Robocop». Über die Verhandlungen spekulierte unter anderem die «New York Times».
Die RTL Group ist in Frankreich wie auch in Deutschland oder den Niederlanden aktiv - und will jetzt diesen Weg einschlagen: Sie hält derzeit 48,3 Prozent der Anteile der französischen TV-Gruppe M6. Die RTL-Gruppe würde zunächst ihren gesamten Anteil in das neu fusionierte Unternehmen in Frankreich einbringen und dann Anteile in Höhe von 641 Millionen Euro an TF1-Grossaktionär Bouygues verkaufen - das wären 11 Prozent des neuen fusionierten Unternehmens.
Am Ende wäre die RTL Group mit einem rund 16 Prozent grossen Anteil als zweitgrösster Aktionär an dem neuen Konzern beteiligt - Bouygues hätte rund 30 Prozent und wäre exklusiver Kontrollaktionär, wie es weiter von den TV-Gruppen und den beiden grossen Aktionären hiess.
Ziel ist es den Beteiligten des Deals zufolge, ein Medienunternehmen zu schaffen, das im schärfer werdenden Wettbewerb mit globalen Tech-Plattformen bestehen kann. Die Regionalzeitung «Le Parisien» spricht von einem «Erdbeben» in der Branche der audiovisuellen Medien in Frankreich.
Der neue Verbund wäre im April zusammen auf Zuschaueranteile von zusammen 42,7 Prozent gekommen, weit vor France Télévisions mit 28 Prozent. Der neue Gigant würde über 70 Prozent des Werbemarktes im französischen Fernsehens abdecken. Der Deal steht noch unter dem Vorbehalt von regulatorischen Genehmigungen.
Der Umsatz des börsennotierten Unternehmens würde sich auf 3,4 Milliarden Euro (pro-forma 2020) und der operative Gewinn auf 461 Millionen Euro belaufen. Damit läge der französische Medienriese im direkten Vergleich der Umsatzzahlen vor der Mediengruppe RTL Deutschland (Umsatz 2020: 2,13 Milliarden Euro).
In Deutschland investiert die RTL Group mit Hauptsitz in Luxemburg und einem Jahresgesamtumsatz in 2020 von etwa 6,02 Milliarden Euro zurzeit massiv in seine Streaming-Plattform TVnow. Die Mediengruppe RTL Deutschland ging zudem eine strategische Partnerschaft mit der Telekom und deren Streamingbereich Magenta TV ein. Das beflügelte die Abonnentenzahlen.
Es ist auch eine engere Zusammenarbeit mit dem Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner +Jahr geplant, der ebenfalls zu Bertelsmann gehört. Vor allem bei den redaktionellen Inhalten arbeiten die Häuser schon jetzt zusammen.
Auch Konkurrent ProSiebenSat.1 investiert in sein Streamingangebot «Joyn», das eine etwas andere Strategie verfolgt und nicht in erster Linie auf Abo-Modelle setzt. Die Sender Sat.1 und ProSieben werden zudem neuerdings von nur noch einem Senderchef geführt, um Synergien bei den grossen Unterhaltungsmarken zu schaffen.
Die Medienbranche blickt seit Jahren auch gebannt auf den italienischen Medienkonzern Mediaset von Silvio Berlusconi, der als Grossaktionär zuletzt wieder seine Anteile bei ProSiebenSat.1 aufstockte. Schon länger wird am Markt die Möglichkeit diskutiert, ob Mediaset eine europaweite Fernsehallianz schaffen wolle.