Europäer beraten über Unterstützung für Ukraine
Die europäischen Staaten beraten nach dem Telefongespräch zwischen Trump und Selenskyj über die weitere Ukraine-Unterstützung. Der Überblick.

Unter dem Eindruck der Telefondiplomatie von US-Präsident Donald Trump im Ukraine-Krieg beraten heute die europäischen Staaten über ihre Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. Während in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Gipfel zusammenkommen, beraten in London Militärvertreter aus europäischen und mit ihnen verbündeten Ländern über einen möglichen Truppeneinsatz in der Ukraine zur Absicherung eines Friedensabkommens.
Unterdessen geht der Krieg in der Ukraine weiter. Nach Angaben aus Kiew wurde das Land in der Nacht erneut zum Ziel eines russischen Grossangriffs mit Kampfdrohnen. In der östlichen Landeshälfte herrschte Luftalarm, laut der ukrainischen Luftwaffe flogen die Drohnen aus verschiedenen Richtungen ein. Über der Frontstadt Kupjansk im Osten warfen russische Flugzeuge etwa 20 Gleitbomben ab, wie die Verwaltung des Gebietes Charkiw mitteilte. Ein Mann sei getötet worden. Infrastrukturobjekte wie zivile Gebäude wurden getroffen.
Unter Vermittlung Trumps haben Russland und die Ukraine zwar zugesagt, vorübergehend die gegenseitigen Angriffe auf Energieanlagen einzustellen. Der Minimalkompromiss ist aber auf Ziele dieser Art begrenzt und auch noch nicht in Kraft.
EU-Aussenbeauftragte will grosses Munitionspaket
Beim Spitzentreffen in Brüssel, dem wohl letzten regulären EU-Gipfel für den scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), werden keine weitreichenden Beschlüsse erwartet. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas will aber zumindest erreichen, dass die Ukraine auf die Lieferung von zwei Millionen Schuss Artilleriemunition hoffen kann. Für eine Initiative von Militärhilfezusagen in Höhe von 20 bis 40 Milliarden Euro hatte Kallas in den vergangenen Wochen nicht ausreichend Unterstützung erhalten.
Spitzenmilitärs beraten über Truppe zur Friedenssicherung
Bei dem Treffen der Militärvertreter in London wiederum werden neben britischen und französischen Offizieren auch Vertreter der Bundeswehr erwartet. Es handele sich um eine Fortsetzung früherer Gespräche im Kreis einer «Koalition der Willigen», sagte ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums. Die Frage sei, welche Optionen es für einen möglichen Einsatz gebe und was einzelne Länder beitragen könnten.
Grossbritannien und Frankreich sind bereit, Bodentruppen zur Friedenssicherung in die Ukraine zu entsenden, pochen aber auf eine Absicherung durch die USA im Fall einer Eskalation. Dazu liess sich Trump bislang nicht bewegen. Moskau lehnt die Stationierung von Soldaten aus Nato-Staaten in der Ukraine bislang kategorisch ab.
Ukraine stimmt Stopp von Angriffen auf Energieanlagen zu
Einen Tag nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte am Mittwoch auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat mit Trump einen vorübergehenden Stopp von Attacken auf Energieinfrastruktur im Feindesland zugesagt. Allerdings stellte Selenskyj klar, dass es ihm darum gehe, russischer Angriffe «auf die Energieversorgung und andere zivile Infrastrukturen» zu stoppen. Dies könne der erste Schritt zu einem Ende des Krieges und zur Herstellung von Sicherheit sein, hiess es in einer Mitteilung des Präsidentenbüros in Kiew.
Russland hat mit seinen Angriffen vor allem Kraftwerke und das Stromsystem der Ukraine beschädigt. Die ukrainische Bevölkerung leidet unter Stromausfällen und -abschaltungen. Ihrerseits fliegt die Ukraine Drohnenangriffe auf russische Ölanlagen, um den Treibstoffnachschub für Putins Armee zu erschweren und Einnahmen für seine Kriegskasse zu schmälern. Der Schaden für die russische Zivilbevölkerung ist dabei gering. Ein Öllager im südrussischen Gebiet Krasnodar stand nach einem Angriff in der Nacht zu Mittwoch weiterhin in Brand.
Die technischen Details der auch zeitlich auf 30 Tage begrenzten Waffenruhe sollen erst bei amerikanisch-ukrainischen Gesprächen in den kommenden Tagen in Saudi-Arabien festgelegt werden. Selenskyj besteht darauf, dass die USA die Einhaltung der Feuerpause kontrollieren. Ähnliche Gespräche wie mit den Ukrainern will die US-Regierung auch mit Russland führen. In beiden Fällen soll so der Einstieg in umfassendere Verhandlungen über ein Ende des seit drei Jahren währenden Krieges gelingen.
Selenskyj: Mit Trump nur über AKW Saporischschja gesprochen
In einem Punkt widersprach Selenskyjs Wiedergabe des Gesprächs mit Trump indes der Darstellung der US-Regierung. Während Trump ihm eine Übernahme aller vier ukrainischen Atomkraftwerke als Sicherheitsgarantie vorgeschlagen haben will, wurde Selenskyj zufolge nur über das russisch besetzte AKW Saporischschja gesprochen, wie er der «Financial Times» sagte.
Die Regierung in Kiew hat derzeit die Kontrolle über drei der ukrainischen Kernkraftwerke, während Russland das vierte in Saporischschja 2022 erobert hat und bis heute besetzt hält. Ob das grösste AKW Europas eine Rolle in künftigen Sicherheitsvereinbarungen spielen könne, hänge davon ab, «ob wir es zurückbekommen und wieder in Betrieb nehmen können», sagte Selenskyj der Zeitung. Er habe mit Washington erkundet, ob nicht die USA Saporischschja von den Russen zurückholen könnten.
In einer Stellungnahme von US-Aussenminister Marco Rubio und Trumps Nationalem Sicherheitsberater Mike Waltz hiess es, der US-Präsident habe mit Selenskyj darüber gesprochen, dass die Vereinigten Staaten beim Betrieb der Atomkraftwerke «mit ihrem Fachwissen in den Bereichen Elektrizität und Energieversorgung sehr hilfreich sein könnten». Nach Darstellung der US-Regierung wären diese Anlagen und die ukrainische Energieinfrastruktur insgesamt am besten geschützt, wenn die Kraftwerke im Besitz der USA wären.