Ex-Wirecard-Managerin will nichts gewusst haben
Die mutmasslichen Betrüger sollen ihre Geschäfte an der übrigen Geschäftsleitung vorbeigeführt haben. Das sagte Ex-Wirecard-Managerin Susanne Steidl aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Zeugin berichtet von der Abschottung der mutmasslichen Betrüger im Wirecard-Skandal.
- Die Betrüger sollen ihre Geschäfte ohne Kenntnis der Geschäftsführung verantwortet haben.
- Die Täter sollen kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geprellt haben.
Im Wirecard-Skandal sollen die mutmasslichen Betrüger um den Hauptverdächtigen Jan Marsalek ihre Geschäfte sogar vor der übrigen Geschäftsleitung abgeschottet haben. Das sagte die frühere Produktchefin Susanne Steidl am Mittwoch als Zeugin im Münchner Wirecard-Prozess aus. «Ich habe keine Passwörter gehabt», sagte die 52 Jahre alte österreichische Managerin.
Der seit Sommer 2020 abgetauchte Marsalek verantwortete als Vertriebschef das Geschäft mit sogenannten Drittpartnerfirmen. Das sind externe Zahlungsdienstleister, die im Wirecard-Auftrag Kreditkartenzahlungen überwiegend in Asien abwickelten oder abgewickelt haben sollen.
Der grösste Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte
Im Sommer 2020 war der einstige Dax-Konzern zusammengebrochen, weil 1,9 Milliarden Euro angeblicher Erlöse aus diesem Drittpartnergeschäft nicht auffindbar waren.
Laut Staatsanwaltschaft war das Drittpartnergeschäft erfunden. Es handelt sich um den grössten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ex-CEO Markus Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager sind wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Bandenbetrugs angeklagt. Die Schlüsselfigur Marsalek jedoch fehlt.
Laut Anklage sollen die Täter seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geprellt haben.
Marsalek schreibt Brief an Justiz
Nach Aussage des seit drei Jahren in Untersuchungshaft sitzenden Braun war das Geschäft echt. Doch sollen Marsalek und Komplizen an die zwei Milliarden Euro veruntreut haben. «Auf den Wirecard-Servern war das nicht», sagte Steidl zu Marsaleks Drittpartnergeschäft. «Ich hatte keine Vorstellung, wo das war.»
Zuletzt hatte Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm Brauns einstigen Schützling Marsalek als Drahtzieher des Betrugs angeprangert, ohne Wissen des früheren Vorstandschefs. Marsalek soll sich nach verschiedenen Berichten in Russland vor der deutschen Justiz in Sicherheit gebracht haben.
In einem Brief hat sich die Schlüsselfigur Marsalek über einen Anwalt erstmals seit Prozesses-Beginn an das Landgericht München I gewandt. Zum Inhalt des Briefs äussern sich Gericht und Münchner Staatsanwaltschaft nicht. Laut «Wirtschaftswoche», die zuerst über den Brief berichtet hatte, äussert sich Marsaleks Verteidiger darin nicht zu den konkreten Vorwürfen.