Fall Alexej Nawalny: Welche Sanktionen ergreift Merkel gegen Putin?
Im Fall Alexej Nawalny hat sich Merkel mit Putin angelegt. Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz erwartet nun Sanktionen. Etwa im umstrittenen Projekt Nord Stream 2.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall Nawalny hat die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland beschädigt.
- Deutschland bespricht gemeinsam mit EU und Nato mögliche Sanktionen gegen Russland.
- Im Fokus steht die umstrittene Erdgas-Pipeline Nord Stream 2.
- Für Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz wäre ein kompletter Abbruch des Projekt überraschend.
Nach den neusten Entwicklungen im Fall Alexej Nawalny scheinen die deutsch-russischen Beziehungen im Argen zu liegen. Am Mittwoch verurteilte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angriff «aufs Allerschärfste». Dies, nachdem bestätigt wurde, dass der russische Oppositionelle mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde.
Merkel sagte, Nawalny sollte «zum Schweigen gebracht werden». Sie forderte eine gründliche Aufklärung der Vergiftung durch die Russen. Die deutliche Äusserung Merkels dürfte ein Wendepunkt in den deutsch-russischen Beziehungen sein. «Das ist eine Verschlechterung», bestätigt Nicolas Hayoz, Professor am Institut für Ost- und Ostmitteleuropa der Universität Fribourg gegenüber Nau.ch.
Der Kreml wehrt sich währenddessen gegen die Vorwürfe, in die Vergiftung involviert zu sein. Russische Politiker beschuldigen ihrerseits Deutschland, die Vergiftung von Alexej Nawalny sei ein Coup, um Russland zu schaden. «Diese Propaganda ist lächerlich», sagt Hayoz. Sie werde auch in Russland nicht alle überzeugen.
Fall Alexej Nawalny betrifft ganze EU
Die grosse Frage ist jetzt, wie Deutschland auf den Fall reagiert, sprich, welche Sanktionen ergriffen werden. Merkel hatte angekündigt, sich dafür mit der EU und der Nato abzusprechen. Die EU hat bereits mit Sanktionen gegen Russland gedroht. Auch die Nato berät über Massnahmen.
Die Vergiftung von Alexej Nawalny betrifft aber nicht nur Deutschland. Die Bundesrepublik steht zwar stärker im Fokus, da Nawalny in Berlin behandelt wird. Doch die Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen hat Auswirkungen auf das Verhältnis der restlichen EU zu Russland.
Hayoz: «Verschlechtern wird sich das auf alle Fälle. Wenn die EU diesen Vorfall nicht ernst nimmt, kann sie auch ihre eigenen Werte nicht mehr ernst nehmen.» Der Freiburger Politologe geht davon aus, dass die EU auch im Zusammenhang mit Weissrussland Sanktionen gegen Putin ergreifen wird.
«Da wird man eine differenzierte Antwort suchen müssen», so Hayoz. Möglich seien wirtschaftliche Sanktionen gegen Einzelpersonen, etwa durch die Einfrierung von Konten.
Abbruch von Nord Stream 2 wäre «Überraschung»
Abgesehen von gesamteuropäischen Sanktionen steht für Hayoz das Projekt Nord Stream 2 im Fokus der Aufmerksamkeit. Die umstrittene Erdgas-Pipeline zwischen Russland und Deutschland ist momentan im Bau. Bisher sagte Merkel, der Bau der Pipeline sollte vom Fall Alexej Nawalny getrennt bleiben.
Nun ist der Druck aber grösser geworden. Das Projekt wird wieder heiss diskutiert. «Ein Abbruch des Projekts wäre eine Überraschung», sagt Politologe Hayoz. «Doch der Druck von deutschen Politikern wird gross, Deutschland muss Sanktionen ergreifen oder sonst ein Zeichen setzen.»
Überraschend wäre eine solche Sanktion, weil Merkel die Wirtschaft immer von der Politik getrennt habe, erläutert Hayoz. Im Bau der Nord Stream 2 stecken auch deutsche Wirtschaftsinteressen. Trotzdem: «Ein Stopp der Nord Stream 2-Pipeline wäre für Russland schmerzhaft.»
Möglich ist demnach auch, dass das Projekt vorläufig aufs Eis gelegt wird. Hayoz hält dieses Szenario für realistischer als einen definitiven Abbruch. «Dann könnte Deutschland abwarten, wie Russland reagiert.»