Fangquoten für die Nordsee stehen
Die EU-Verhandlungen über die Fischfangquoten sind traditionell umkämpft. Die anhaltenden Brexit-Gespräche haben es in diesem Jahr zusätzlich kompliziert gemacht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Staaten haben sich auf Fischfangquoten für die Nordsee und den Nordatlantik für das kommende Jahr geeinigt.
Wegen der Brexit-Unsicherheit handelt es sich allerdings nur um vorläufige Quoten für die ersten drei Monate bis März, wie Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) nach zweitägigen Verhandlungen in Brüssel sagte.
«Unsere Einigung auf vorläufige Quoten ist die Garantie für unsere europäischen Fischer, dass sie ab dem 1. Januar weiter fischen können.» Klöckner sprach von «langen und durchaus schwierigen Verhandlungen».
Der Deutsche Fischerei-Verband begrüsste die vorläufige Einigung. «Das war wichtig, damit die Fischer im neuen Jahr weiter arbeiten können», teilte der Verband mit. Bei den Beständen von Makrele, Blauem Wittling und Stöcker liege die Hauptfangsaison im ersten Quartal. Hier sei deshalb eine Quote von 65 Prozent der 2020er Fangmenge für die Monate bis März 2021 vereinbart worden.
Ansonsten dürfen deutsche Fischer laut einer Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums von den wichtigen Nordsee-Beständen bis März ein Viertel der Gesamtmenge von 2020 fangen. Beim Hering sind das 9851 Tonnen, bei der Scholle 1294 Tonnen und beim Seelachs 2079 Tonnen. Für den Kabeljau ergibt sich ein Wert von 396 Tonnen, für den Schellfisch 225 Tonnen. Für Makrele und Blauen Wittling, für die höhere Quoten gelten, sind das 14 050 beziehungsweise 12 592 Tonnen.
Die Verhandlungen um die Fangquoten sind traditionell umkämpft. Neben der Nordsee und dem Atlantik ging es auch um das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Am schwierigsten seien wohl die Verhandlungen um das westliche Mittelmeer mit den betroffenen Staaten Italien, Frankreich und Spanien gewesen, sagte Klöckner. Letztlich habe man sich auf einen «ausgewogenen Kompromiss» geeinigt, wonach der Fangaufwand im kommenden Jahr um 7,5 Prozent reduziert werden soll.
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius war das nicht genug. Er sei enttäuscht, dass die Minister die wissenschaftlichen Empfehlungen für grössere Einschnitte nicht stärker berücksichtigt hätten, sagte der Litauer.
Überschattet wurden die Verhandlungen in diesem Jahr von den noch laufenden Brexit-Gesprächen zwischen der EU und Grossbritannien. Es ist unklar, inwieweit Fischer aus EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich ab Januar überhaupt Zugang zu britischen Hoheitsgewässern haben werden. Deshalb sind die Ergebnisse nur vorläufig. Auch EU-Gespräche mit Norwegen über gemeinsam befischte Bestände stehen noch aus. Sinkevicius habe zugesagt, dass die EU-Kommission im Januar eine neue Bewertung der Lage vorlegen werde, sagte Klöckner.
«Es ist gut, dass die Minister wenigstens eine Übergangslösung gefunden haben, damit wir 2021 ab Januar weiter fischen können», sagte der Vorsitzende des Verbands der Deutschen Kutter- und Küstenfischer, Dirk Sander. «Jetzt muss nur noch der Zugang zu britischen und norwegischen Gewässern klar gemacht werden, sonst drängelt sich alles in der Nordsee und in irischen Gewässern.»
Das Fischereiministerium in Kiel verwies darauf, dass die finalen Verhandlungen mit Grossbritannien und Norwegen noch ausstehen. Es sei aber gut, jetzt zumindest kurzfristig eine Quotenregelung zu haben, sagte ein Sprecher. Wichtiger sei es aber, eine mittel- und langfristig verlässliche Perspektive für die Fischer zu bekommen. Dies hänge vom Fortgang der Brexit-Verhandlungen ab.
Das Treffen von Klöckner und ihren Kollegen hatte am Dienstagmorgen begonnen. Die Nacht zum Donnerstag wurde durchverhandelt. Klöckner betonte, dass den Ministern eine nachhaltige Bewirtschaftung der Meere wichtig gewesen sei. «Wir wollen Fischbestände, die sich gut regenerieren. Gleichzeitig haben wir im Blick, dass die Fischerei für einige Regionen eine massive wirtschaftliche und identitätsstiftende Bedeutung hat.»
Die EU-Staaten legen jedes Jahr die zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Gewässer fest. Auf dieser Basis entfallen auf die einzelnen Länder durch festgeschriebene Verteilungsschlüssel die jeweiligen nationalen Fangmengen. Grundlage der Verhandlungen ist eine Vorlage der EU-Kommission, die in erster Linie auf Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) beruht.
Etliche Fischbestände befinden sich in eher schlechtem Zustand. Deshalb geht es vor allem darum, die Interessen der Fischereiindustrie mit Umweltbelangen in Einklang zu bringen.
Nur langfristig festgelegte und eingehaltene Fangmengen könnten die Überfischung beenden, erklärte die Umweltorganisation WWF. Erklärtes Ziel der Verhandlungen sei eine Balance zwischen Umweltschutz und sozioökonomischen Fragen gewesen, sagte die Fischereiexpertin des WWF Deutschland, Stella Nemecky. «Ob das für die Bestände in der Nordsee und dem Nord-Ost-Atlantik gelungen ist, wird sich erst zeigen, wenn die Einschätzung der Kommission im Januar vorliegt und das finale Abkommen ausverhandelt ist.» Klar sei aber: «Fisch als Allgemeingut darf nicht zur Verhandlungsmasse werden.»