Opfer der Brandkatastrophe im Grenfell Tower kritisieren Feuerwehr
Überlebende der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower haben nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts die Feuerwehr kritisiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Beim Brand im Londoner Grenfell-Tower kamen im Juni 2017 71 Menschen ums Leben.
- Der Untersuchungsbericht sieht ein «systemisches Versagen» der Brandschützer.
- Mit dem Evakuierungsbefehl sei zu lange zugewartet worden.
Überlebende der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower haben nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts die Feuerwehr stark kritisiert.
In dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht ist von einem «systemischen Versagen» der Brandschützer die Rede, auch wenn als «Hauptgrund» für das Feuer die leicht brennbare Fassadenverkleidung benannt wird. Die Feuerwehrgewerkschaft wies den Vorwurf schwerwiegender Fehler zurück.
Mehr als 70 Tote im Juni 2017
Bei dem Brand im Juni 2017 waren mehr als 70 Menschen ums Leben gekommen. Dem fast tausendseitigen Bericht zufolge wurde das nächtliche Feuer durch einen defekten Kühlschrank in der vierten Etage ausgelöst.
Die Flammen breiteten sich rasend schnell in dem 24-stöckigen Gebäude aus, Dutzende Bewohner waren den Flammen ausgeliefert. «Hauptgrund» für die schnelle Ausbreitung des Feuers war dem Untersuchungsbericht zufolge die Fassadenverkleidung aus leicht entzündlichem Material.
Bewohner wurden angewiesen, im Turm zu bleiben
Der Bericht wirft aber auch der Feuerwehr «systemisches Versagen» vor - vor allem, weil sie die Bewohner des Hochhauses angewiesen habe, in ihren Wohnungen zu bleiben, «als die Treppen noch begehbar waren», wie der Leiter der Untersuchung, Martin Moore-Bick, erklärte. In der Nacht auf den 14. Juni 2017 hätten «mehr Leben gerettet werden können». Die Feuerwehr habe nach einem Hochhausbrand im Jahr 2009 «nicht ihre Lektion gelernt».
«Egal wie mutig die Feuerwehrleute waren», ihnen habe es «erheblich an gesundem Menschenverstand gefehlt», kritisierte Nazanin Aghlani, deren Mutter in den Flammen starb. Die Feuerwehrleute seien in ihren Augen «keine Helden», sondern «Profis, die dafür bezahlt werden», sagte sie vor Journalisten in Westminster.
Nabil Choucaire, der sechs Angehörige bei dem Brand verlor, kritisierte, angesichts der lodernden Flammen hätten die Brandschützer die Bewohner «sehr viel früher» evakuieren müssen.
Gewerkschaft weist Kritik zurück
Der Generalsekretär der Feuerwehrgewerkschaft, Matt Wrack, wies die in dem Untersuchungsbericht geäusserte Behauptung zurück, es sei möglich oder sicher gewesen, mit 30 Feuerwehrleuten mehr als 150 Menschen über ein enges, verrauchtes Treppenhaus retten zu können. Es sei «völlig unklar, ob eine Evakuierung mehr Leben hätte retten können», sagte er.
«Die wahren Schuldigen» seien nicht die Feuerwehrleute, die bei den Löscharbeiten ihr eigenes Leben riskiert hätten, sondern diejenigen, «die das Gebäude mit einer brennbaren Hülle verkleideten, die das Brandschutzsystem des Vereinigten Königreichs ausgehöhlt, die Warnungen durch frühere Feuer ignoriert und die Bitten einer um ihre Sicherheit besorgten Öffentlichkeit nicht gehört haben».
Regierung will Empfehlungen befolgen
Premierminister Boris Johnson sagte nach einer Schweigeminute im Londoner Unterhaus, die Regierung akzeptiere die Empfehlungen des Untersuchungsberichts «im Grundsatz» und werde sie befolgen.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei stellte sich hinter die Feuerwehrleute. Diese hätten «unglaublichen Mut» bewiesen und «unter schwierigsten Bedingungen» gegen einen Brand angekämpft, der durch «einen katastrophalen Baufehler» ausgelöst worden sei. «Es war nicht ihr Fehler.»
Die Opposition warf der Regierung vor, davon ablenken zu wollen, dass die Gelder für den Brandschutz und die für den sozialen Wohnungsbau zuständigen Behörden zusammengestrichen worden seien.