Flüchtlinge und Öl-Mangel: So betrifft uns der Ukraine-Krieg
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine spitzt sich zu. Ein Experte erklärt gegenüber Nau.ch, welche Auswirkungen dies auf die Schweiz haben könnte.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen dem möglichen Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die Nato in Alarmbereitschaft.
- Auch auf die Schweiz hat der Konflikt bereits jetzt einen enormen Einfluss.
- Was im Falle einer Eskalation geschieht, erklärt ein Osteuropa-Experte gegenüber Nau.ch
In den letzten Wochen und Monaten hat sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weiter zugespitzt. Truppenbewegungen an der Grenze auf russischer Seite bereiten derzeit den Nato-Staaten grosse Sorgen. Fast täglich gibt es neue Entwicklungen.
Bei einem Thema, das in den Medien so präsent ist, fragen sich wohl viele, inwiefern der Konflikt auch sie betrifft. «Die möglichen Auswirkungen auf die Schweiz sind enorm», meint Nicolas Hayoz, Direktor des Instituts für Osteuropastudien der Universität Freiburg.
Greifbarste Auswirkung ist Migration
Dies zeigt allein ein Blick in die Vergangenheit. «Schon 1956 hat die Schweiz 14'000 Flüchtlinge nach dem ungarischen Volksaufstand aufgenommen. Zwölf Jahre später waren es weitere 11'000 Tschechoslowaken nach dem Prager Aufstand», zählt der Professor auf. Dazu kämen über 100'000 Kosovaren, die nach dem Krieg in den 90er-Jahren in die Schweiz kamen.
Auch jetzt sei die Migration wohl die greifbarste Auswirkung des Konflikts, so Hayoz: «Falls es in der Ukraine zu einer Besetzung kommen sollte, müssen wir mit einer riesigen Flüchtlingswelle rechnen.» Dies bringe natürlich soziale Probleme mit sich, wie etwa einen Anstieg von Populismus und Nationalismus.
Europa von russischem Gas und Öl abhängig
Dazu kommen die ökonomischen Folgen des Konfliktes, die bereits jetzt immens sind. So sorgt derzeit die politische Unsicherheit für Kursrückgänge an den Börsen. «Wie ganz Europa sind wir auch abhängig von russischem Gas und Öl», erklärt Hayoz. «Bei einer Eskalation würden definitiv die Preise sich erhöhen.»
Bei einem Einmarsch Russlands in die Ukraine würde nämlich nichts aus der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2. Diese ist nämlich ein wichtiger Teil der Sanktionen, mit denen der Westen derzeit Russlands Staatsoberhaupt Putin bedroht.
Gemäss Hayoz ist derzeit eine tatsächliche militärische Besetzung Russlands der Ukraine unwahrscheinlich. «Putin hat seine Ziele möglicherweise schon nur mit der Drohung erreicht», meint er. Trotz der wirksamen Propaganda gäbe es bei einem Krieg wohl viele unvorhergesehene Folgen im Inneren für Russland. «Das sind aber alles nur Spekulationen», so der Osteuropa-Experte.
Auf internationaler politischer Ebene sind die Auswirkungen ebenfalls noch schwer vorherzusehen. «Die Sache könnte Europa schwächen, aber auch stärken», erklärt Hayoz. Der Politikwissenschaftler kann sich aber auch vorstellen, dass etwa die Nato wegen dem Ukraine-Krieg Zulauf bekommen könnte.
«Schweiz versucht ihre Rolle zu finden»
Die Schweiz habe indes wohl kaum etwas zu sagen in der ganzen Angelegenheit, nicht einmal als Vermittlerin, so Hayoz. «Alles hängt von den USA und von Russland ab. Die Europäer versuchen immer noch verzweifelt, ihre Rolle in dem Ganzen zu finden. So auch die Schweiz.»