Flug-Chaos in Heathrow: Streit zwischen Airport und Airlines
Das Wichtigste in Kürze
- Kurzfristige Reisen in den Sommerferien werden für Urlauber aus Grossbritannien immer komplizierter - und teurer.
Die grösste britische Fluglinie British Airways verkauft mindestens bis zum 8. August keine neuen Tickets für Kurzstrecken mehr ab London-Heathrow. Wie die Zeitung «Times» am Dienstag berichtete, wurden solange alle Verbindungen am wichtigsten Flughafen des Landes zu Zielen in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs sowie in die EU, aber auch über Marokko und Kairo aus dem Verkauf genommen.
Es sei «sehr wahrscheinlich», dass die Massnahme bis zum Ende des Sommers ausgedehnt werde, sagten Branchenexperten dem Blatt. Der Schritt werde zudem für höhere Preise an anderen Airports sorgen. Für Reisende verschärft sich damit das Flugchaos noch einmal. Seit Wochen klagen sie über stundenlange Wartezeiten und verhinderte Reisen.
Damit ist Heathrow zwar nicht alleine. Auch an anderen britischen Airports sowie an einigen EU-Flughäfen gibt es enorme Probleme. In Kopenhagen stapelten sich Gepäckstücke, in Köln standen Reisende stundenlang bei der Sicherheitskontrolle an. Am vergangenen Mittwoch legte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik nahezu das komplette Lufthansa-Flugprogramm lahm. Mehr als 1000 Flüge fielen aus, etwa 134 000 Passagiere mussten ihre Pläne ändern. Verdi droht bereits mit weiteren Warnstreiks zur Hauptreisezeit, falls die an diesem Mittwoch beginnenden Verhandlungsrunde ohne Durchbruch bleibt.
Explosive Situation
Doch in Heathrow wirkt die Lage noch explosiver. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass genervte Reisende Fotos von ewig langen Warteschlangen an der Sicherheits- oder Passkontrolle in sozialen Netzwerken teilen. An den anderen Londoner Airports wie Gatwick oder Stansted ist davon deutlich weniger zu sehen. Einer der weltweit grössten Flughäfen scheint unvorbereitet gewesen zu sein auf den Ansturm von Passagieren im Zuge nachlassender Corona-Reiseregeln.
«Das beispiellose Wachstum der Passagierzahlen in den vergangenen vier Monaten entspricht dem, was in den vergangenen 40 Jahren stattgefunden hat», teilte Heathrow bereits Mitte Juli spürbar überrascht mit. Als Antwort schrieb der Airport vor, dass bis zum 11. September täglich nur noch 100.000 Passagiere abfliegen dürfen. Die BBC sprach von einer «aussergewöhnlichen Entscheidung».
Betroffen davon ist in erster Linie der grösste Heathrow-Kunde British Airways (BA). Die Fluglinie hat mittlerweile fast 30.000 Verbindungen aus ihrem Sommerflugplan gestrichen, das sind der Nachrichtenagentur PA zufolge rund 13 Prozent aller Flüge. Vereinfacht wurde der Schritt von der britischen Regierung, die die Vorschriften für die Start- und Landerechte an den Flughäfen lockerte. Fluglinien können damit Verbindungen streichen und auf die sogenannten Slots verzichten, ohne fürchten zu müssen, die teuren Startrechte zu verlieren.
Airlines üben deutliche Kritik
Nun folgte der Verkaufsstopp. Die Airline sprach «angesichts der uns auferlegten Einschränkungen und den andauernden Herausforderungen, vor denen die gesamte Luftfahrtindustrie steht», von einer «vernünftigen» Reaktion. Nun stünden mehr Umbuchungsoptionen für bereits gebuchte Kunden zur Verfügung, deren Flüge zuvor bereits gestrichen worden waren. Direkte Kritik am Flughafen übte BA nicht. Andere Airlines werden deutlicher. So warf Ryanair-Finanzchef Neil Sorahan den Flughäfen vor, nicht genügend Personal eingestellt zu haben. Auch die Fluglinie Emirates, die die Passagierobergrenze zunächst ablehnte, sowie Virgin Atlantic kritisierten Heathrow.
Tatsächlich sind fehlende Arbeitskräfte das Hauptproblem. Doch die Schuldfrage sorgt für Spannungen. Heathrow-Chef John Holland-Kaye ging umgehend in die Offensive. «Flughäfen bieten keine Bodenabfertigung an, diese stellen die Fluggesellschaften selbst bereit», sagte er der BBC. «Das ist also so, als würde man uns vorwerfen, nicht genug Piloten zu haben.»
Die Behörden sprangen ihm bei. In einem Schreiben beschuldigten die Wettbewerbsbehörde CMA und die Flugaufsicht CAA die Fluglinien, «schädliche Praktiken» gegen die Passagiere durchzusetzen. Etwa indem sie mehr Tickets verkaufen würden als sie eigentlich bieten könnten. Die Auswirkungen dürften die Passagiere noch wochenlang spüren. «Dies ist kein normaler Sommer», kommentierte die BBC.