Friedensnobelpreis

Friedensnobelpreis in Zeiten des Krieges

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Norwegen,

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht Europäern deutlich näher als andere Konflikte auf der Erde. Führt bei der diesjährigen Bekanntgabe des Friedensnobelpreises ein Weg an der Ukraine vorbei?

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Das Osloer Rathaus (Symbolbild) - Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Friedlich ist es auf der Erde gerade nicht.

Krisen und Konflikte beherrschen die Welt, vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und dessen Folgen etwa für die Energieversorgung. In solch einer angespannten Phase wird das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo verkünden, wen es in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis auszeichnet.

Es gibt eigentlich immer bewaffnete Konflikte irgendwo auf dem Planeten, derzeit etwa auch im Äthiopien von Regierungschef Abiy Ahmed, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 2019. Doch der Krieg mitten in Europa erscheint den Deutschen und vielen Europäern deutlich näher. Der Ukraine-Krieg wirft somit ohne Frage auch seinen Schatten auf die diesjährige Nobelpreis-Bekanntgabe.

Ist eine Vergabe angesichts der momentanen Weltlage überhaupt möglich? «Wir werden sehen», sagt der Direktor des Nobelinstituts, Olav Njølstad, mit der im Nobel-Kosmos vor den Bekanntgaben üblichen Zurückhaltung. Nur so viel: «Wir haben mehr als 300 Nominierungen erhalten, von denen einige natürlich wirklich würdige Kandidaten nominiert haben.» Weil in einem Weltteil Krieg herrsche, bedeute das nicht automatisch, dass andere herausragende Persönlichkeiten und Organisationen nicht für den Preis in Betracht gezogen würden.

Traditionelles Geheimnis

Insgesamt sind in diesem Jahr 251 Kandidatinnen und Kandidaten sowie 92 Organisationen für den Friedensnobelpreis nominiert worden. Das ist die zweithöchste Gesamtzahl an Nominierten jemals. Wer darunter ist, wird traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.

Viele rechnen mit einer Preisvergabe in die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde von Wettbüros zuletzt weit vorne gesehen. Allerdings muss beachtet werden, dass Nominierungen für den Preis nur bis zum 31. Januar eingereicht werden konnten - Russland war am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert.

Das Nobelkomitee hat den Preis schon zuvor an Friedensstifter vergeben, die zu dem Zeitpunkt weiter in Konflikten steckten, zuletzt etwa 2016 an den damaligen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. «Das ist das jüngste Beispiel für eine Auszeichnung für jemanden, der tatsächlich noch in einen ungelösten militärischen Konflikt verwickelt war», merkt Njølstad an. Auch die Auszeichnung des damaligen Palästinenserführers Jassir Arafat und der israelischen Politiker Schimon Peres und Izchak Rabin 1994 für Bemühungen zur Lösung des Nahost-Konflikts fiel in diese Kategorie.

Sipri hat Zweifel

Beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zweifelt man daran, dass der Nobelpreis in diesem Jahr an jemanden aus der gerade mitten im Krieg steckenden Ukraine vergeben wird. Derzeit werde Krieg geführt, nicht Frieden gestiftet, sagt Sipri-Direktor Dan Smith. Er schränkt jedoch ein, dass die Auszeichnung ganz vielleicht an humanitäre Akteure in der Ukraine gehen könnte. Das würde auch dazu passen, wie das Nobelkomitee in den beiden Weltkriegen vorgegangen war: Damals war jahrelang kein Friedensnobelpreis vergeben worden - ausser zweimal an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

«Mein einer Gedanke dazu, wer den Friedenspreis speziell in Bezug auf den Ukraine-Krieg bekommen könnte, wäre die Internationale Atomenergiebehörde», sagt Smith. Er denkt dabei an den Einsatz der bereits 2005 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Behörde (IAEA) rund um das seit Wochen schwer umkämpfte und russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. Und auch aus einem anderen Grund, betont Smith: «Wir brauchen wirklich ein Scheinwerferlicht auf das Risiko der Verbreitung von Atomwaffen, den Zusammenbruch der nuklearen Rüstungskontrolle, das Risiko eines neuen atomaren Wettrüstens und die Drohungen zum Gebrauch von Atomwaffen.»

Tichanowskaja und Nawalny unter den Kandidaten?

Anderswo werden auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und der inhaftierte russische Oppositionelle Alexej Nawalny als Kandidaten gehandelt. Henrik Urdal, der Leiter des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, hat sie ganz oben auf seiner engeren Favoritenliste stehen. «Sowohl Tichanowskaja als auch Nawalny sind lautstarke Kritiker des russischen Einmarsches in die Ukraine», schreibt er. Ein Nobelpreis für die beiden würde als klarer Protest gegen Russlands Vorgehen und die Mithilfe von Belarus betrachtet werden - und als Unterstützung für demokratische Alternativen zu den Präsidenten Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin.

Schon 2021 hatte das norwegische Nobelkomitee einen Putin-Gegner geehrt. Dmitri Muratow, der Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung «Nowaja Gaseta», war gemeinsam mit der philippinischen Journalistin Maria Ressa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Erst vor einem Monat hat ein Bezirksgericht in Moskau der Zeitung auf Antrag der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor die Zulassung entzogen.

Neben der IAEA hat Sipri-Direktor Smith noch einen weiteren Kandidaten im Köcher - oder besser gesagt: mehrere Kandidaten. «Es würde Sinn ergeben, Bewegungen auszuzeichnen, die sich zum Beispiel gegen den Klimawandel einsetzen.» Er denkt dabei an Klimabewegungen wie Fridays for Future und 350.org, aber auch an Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen Weltregionen, die den Preis gemeinsam erhalten könnten. Dabei würde er auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg miteinbeziehen. «Sie hat enorme Arbeit geleistet.»

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