Gerichtsprozess bringt Le Pens Rechtsnationale in Bredouille
Ein Gerichtsprozess in Frankreich könnte die Ambitionen der rechten Partei um Marine Le Pen gehörig ausbremsen.
Die Rechtsnationalen in Frankreich um Marine Le Pen sind seit Langem auf dem Vormarsch und im Parlament inzwischen so stark vertreten wie noch nie. Ein an diesem Mittwoch in Paris endender Gerichtsprozess aber könnte die Ambitionen der rechten Partei gehörig ausbremsen.
Le Pen muss sich wegen möglicher Scheinbeschäftigung von Assistenten im EU-Parlament verantworten. Für einen Schuldspruch und einen jahrelangen Gang durch die Instanzen ist das Rassemblement National zwar gerüstet, die Strafforderung der Anklage aber beinhaltet einen Fallstrick.
Strafforderung kann Le Pen ausbremsen – «politische Todesstrafe»
Neben fünf Jahren Haft, teils auf Bewährung sowie einer Geldbusse von 300'000 Euro forderte die Staatsanwaltschaft nämlich zugleich einen fünfjährigen Verlust des passiven Wahlrechts für die 56-Jährige.
Le Pen könnte bei einer solchen Strafe zeitweise nicht mehr in öffentliche Ämter gewählt werden – und insbesondere für eine erneute Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2027 könnte es für sie schwarz aussehen. Denn die Anklage verlangte, die Strafe vorläufig anzuwenden – also bereits nach dem Urteilsspruch und nicht erst nach einem möglicherweise langjährigen Lauf durch die gerichtlichen Instanzen.
Die der rechten Partei von Kritikern unterstellte Strategie, den Rechtsstreit möglichst in die Länge zu ziehen und dabei die Gerichts- und Wahlkalender gut aufeinander abzustimmen, würde in diesem Fall nicht aufgehen.
Le Pen warf der Anklagebehörde nach dem Plädoyer prompt vor, «die Franzosen ihrer Möglichkeit zu berauben, für wen sie wollen zu stimmen». Das geforderte Strafmass sei extrem übertrieben. Ausserdem unterstellte sie der Justiz, politisch zu agieren, als sie sagte, die Staatsanwaltschaft verlange «die politische Todesstrafe mit vorläufiger Vollstreckung gegen mich».
Le Pen normalisierte klar rechtsextreme Partei
Auch wenn der Urteilsspruch erst im kommenden Frühjahr erwartet wird, und nicht am letzten Verhandlungstag am Mittwoch, ist bei Le Pen bereits ein Strategiewechsel erkennbar.
Seit der Übernahme der Parteileitung von ihrem Vater und Mitgründer Jean-Marie Le Pen hatte Marine Le Pen sich um ein gemässigtes Auftreten der zuvor klar rechtsextremistischen Partei bemüht, und die einstige Splittergruppe zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft gemacht, die inzwischen auch für breite Gruppen der Bevölkerung wählbar erscheint.
Und in der Pariser Nationalversammlung, wo das Rassemblement National (früher Front National) die inzwischen stärkste Oppositionsfraktion stellt, hatten Le Pen und die rechten Abgeordneten sich um ein gemässigtes Auftreten und den Eindruck von Verantwortungsbewusstsein für die grossen Probleme des Landes bemüht.
Misstrauensvotum als Druckmittel auf Justiz
Nun aber droht Le Pen, die zuvor eher Kooperation signalisiert hatte, dem neuen Premier Michel Barnier im Zuge schwieriger Haushaltsberatungen mit einem Misstrauensvotum. Dieses könnte noch in diesem Jahr zum Sturz der Regierung führen, vorausgesetzt, das linke und rechte Lager ziehen an einem Strang. Le Pen erweckt damit den Eindruck, auf die aus ihrer Sicht politisch gelenkte Justiz Druck machen zu wollen, um ein Urteil in ihrem Sinne zu erwirken.
Hinter Le Pens Kursschwenk und dem Drohen mit einem Misstrauensvotum steckt letztendlich auch das Bestreben, Macron zum Sturz zu bringen, gegen den Le Pen bei den beiden vergangenen Präsidentschaftswahlen als Herausforderin in der Endrunde unterlag.
Nun wittert Le Pen – wie übrigens auch der altlinke Poltergeist Jean-Luc Mélenchon – die Chance, aus vorgezogenen Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorzugehen. Staatschef Macron zumindest kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren.