Geschenke machen neuem Briten-Premier Starmer Ärger
Wenn man den britischen Premierminister Keir Starmer so sieht, dann wirkt er ein wenig wie der Bankmitarbeiter, der einem beim Bausparvertrag helfen kann. Ordentlich angezogen, aber nicht zu abgehoben. Doch ausgerechnet Äusserlichkeiten sind es nun, die dem 62-Jährigen Kritik einbringen. Denn Starmer hat sich wie andere Regierungsmitglieder auch von einem Grossspender teure Kleidung bezahlen lassen.
In den vergangenen Jahren soll Starmer Berichten von «Financial Times», «Guardian» und Sky News zufolge Spenden im Wert von rund 100'000 Pfund (etwa 120'000 Euro) angenommen haben. Neben Kleidung und Brillen profitierte er zum Beispiel von Fussballtickets und Unterkünften. Seine Vizeregierungschefin Angela Rayner etwa liess sich von dem Grossspender in dessen Luxusimmobilie in New York einladen.
Während es in der Diskussion anfangs um Details ging, etwa um die Frage, wann welche Spenden deklariert wurden und weshalb auch Starmers Frau neue Kleidungsstücke finanziert bekam, wachsen bei manchen Leuten auf der Strasse die Fragen an den neuen Premierminister, der noch keine drei Monate im Amt ist.
«Würden sich im Grab umdrehen»
Eine Fussgängerzone in Liverpool. Während sich Mitglieder von Starmers Partei in der Nähe zur Jahreskonferenz treffen, erledigen Menschen ihren Alltag. Manche unterstützen Starmers Sozialdemokraten und finden, man müsse ihnen nach dem Wahlsieg erst einmal Zeit geben. Starmer sei ein vernünftiger Typ und ihr wesentlich lieber als ein populistischer Politiker wie Donald Trump in den USA, sagt eine junge Britin.
Andere dagegen schimpfen. Sie habe ihr ganzes Leben Labour gewählt, erzählt eine Frau, aber jetzt sei sie enttäuscht. «Ich mag diese ganze Geschenkesache gar nicht.» Sie ärgert sich, dass die Regierung Heizkostenzuschüsse für viele Rentner kürzen will. «Meine Mutter und mein Vater würden sich im Grab umdrehen.» Dabei habe Starmer doch gesagt, er werde die Dinge anders machen.
Der Brite hatte seinem Land nach den Skandalen der konservativen Vorgängerregierung einen Wandel versprochen. Die neue Regierung betont, in welch schlechtem Zustand die Konservativen das Land hinterlassen hätten – mit einem Milliardenloch im Haushalt, einem überlasteten Gesundheitssystem und einem schlecht aufgestellten Militär.
In sachlichem Ton wirbt Starmer um Geduld bei politischen Reformen. Eine Tonlage, die er der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge auch bei seiner heutigen Rede auf der Parteikonferenz anschlagen wird. Er werde weder einfache Antworten versprechen noch falsche Hoffnungen schüren, will Starmer sagen. Manche Beobachter argumentieren dagegen, Starmer müsse nun auch Lösungen aufzeigen. «Nennen Sie uns Ihre Vision für das Land, Sir Keir», schrieb der «Observer». «Eine teure Brille sollte es dafür nicht brauchen.»
Politikwissenschaftler: Spenden widersprechen Image
«Obwohl das Land bereit war, solch düstere Nachrichten zu bekommen, gab es eine sehr negative Reaktion auf die Entscheidung der Regierung, allen bis auf den ärmsten Rentnern die Heizkostenzuschüsse zu streichen», sagt Politikwissenschaftler Mark Garnett von der Universität Lancaster. Auch die Kleidergeschenke bescheren Starmer seiner Einschätzung nach Probleme.
«Das widerspricht dem von ihm angestrebten Image eines Politikers, der nur das Ziel hat, der Öffentlichkeit zu dienen», sagt Garnett. Medienberichten zufolge sorgen die Sachspenden auch parteiintern für Unmut. Auf den Gängen des Parteitags jedenfalls wird durchaus gescherzt, man habe für die eigene Ausstattung bezahlt. Starmer will künftig auf gespendete Kleidung verzichten, ebenso wie Vizeregierungschefin Rayner und Finanzministerin Rachel Reeves. Zum Fussball aber will er weiterhin gehen – Starmer ist grosser Fan des FC Arsenal.
Er könne aus Sicherheitsgründen nicht länger seine Stehplätze nutzen – ohne grosses und teures Polizeiaufgebot, sagte Starmer der BBC. Er werde dafür aber nicht die Steuerzahler aufkommen lassen, wenn er auch woanders sitzen könne. Der Nachrichtenagentur PA zufolge ist er bei weitem nicht der einzige Abgeordnete, der zu Sportereignissen eingeladen wird. Aber er ist nun der mit dem wichtigsten politischen Posten im Land.