Gewalt

Gewalt nimmt zu: Deutsches Spital-Personal bekommt Bodycams

Simon Binz
Simon Binz

Deutschland,

In Deutschland nimmt die Gewalt gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Spitälern zu. Eine Klinik stattet gefährdetes Personal nun mit Bodycams aus.

Bodycams wirken in aufgeheizten Situationen oft deeskalierend. Doch was geschieht mit den Aufnahmen? Foto: Felix Hörhager
Bodycams wirken in aufgeheizten Situationen oft deeskalierend. Doch was geschieht mit den Aufnahmen? Foto: Felix Hörhager - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Gewalt gegen Deutschlands Spitalpersonal hat in den letzten Jahren zugenommen.
  • Eine Klinik in Dortmund will gefährdete Mitarbeiter nun mit Bodycams ausstatten.
  • Der Direktor erhofft sich davon eine deeskalierende Wirkung.

Eigentlich kennt man sie nur von der Polizei her, doch jetzt sollen sie auch in einem deutschen Spital zum Einsatz kommen: Bodycams. Der Grund: Die Gewalt gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Spitälern nimmt zu. Doch alles auf Anfang.

Bei einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DK) zeigte sich im April 2024, dass die Gewalt in deutschen Spitälern steigt. Demnach gaben 73 Prozent der befragten Kliniken an, die Zahl der Übergriffe sei in den vergangenen fünf Jahren mässig oder deutlich angestiegen.

Hast du schon einmal Gewalt in einem Spital erlebt?

Besonders betroffen zeigten sich demnach Notaufnahmen und Pflegekräfte. Auch Schweizer Notaufnahmen berichteten schon über eine Zunahme der Gewalt. Als eine der Hauptursachen wurde ein «allgemeiner Respektverlust» gegenüber dem Personal angegeben.

«Ich weiss, wie du heisst, ich weiss, wie du aussiehst»

Wie der «Spiegel» berichtet, macht sich der Trend zu mehr Gewalt, auch im Klinikum Dortmund bemerkbar. Das Magazin hat ein Interview mit Michael Kötzing geführt, er ist der dortige Arbeitsdirektor. Er erwähnt, dass bei ihnen schon Namensschilder von Kollegen abfotografiert worden seien – mit den Worten: «Ich weiss, wie du heisst, ich weiss, wie du aussiehst, wir sehen uns draussen.»

Kötzing erzählt von einem Vorfall im März 2024, als eine Mitarbeiterin zwei Männer in einem Umkleideraum dabei entdeckt hatte, wie sie dort «Schränke aufhebelten». «Anstatt die Flucht zu ergreifen, würgten die Täter die Kollegin bis zur Bewusstlosigkeit.» Die Polizei ermittle wegen Mordversuch, doch die Täter seien bis heute nicht gefasst.

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Deutschlandweit haben Spitäler mit körperlicher und verbaler Gewalt gegen das Personal zu kämpfen. (Symbolbild) - keystone

Kötzing betont, dass solche extreme Gewalt nicht alltäglich sei, aber Pöbeleien, Beleidigungen und Übergriffe «leider ein Stück weit Alltag». Beim Maximalversorger mit drei Notaufnahmen, wurde nach dem Würge-Vorfall eine Arbeitsgruppe gegründet, um Lösungen gegen die Gewalt im Arbeitsalltag zu finden. Einer der Vorschläge der Arbeitsgruppe: Bodycams auf ausgesuchten Stationen und in ausgewählten Abteilungen.

«Unsere Beschäftigten sind kein Freiwild»

Arbeitsdirektor Kötzing erklärt im Gespräch, was er sich vom Einsatz der Bodycams erhofft und verrät auch, dass das Klinikum die Kameras selbst finanzieren muss. Kosten für die Sicherheit seien im Gesundheitssystem nicht vorgesehen.

«Unsere Beschäftigten sind kein Freiwild.» Es sei ihre Aufgabe, sie so zu schützen, dass sie ihre Arbeit angstfrei ausüben könnten. «Allein das Vorhandensein von Bodycams hat eine deeskalierende Wirkung. Wenn sie uns helfen können, dann sollten wir sie einsetzen – auch wenn Bodycams nicht alle unsere Probleme lösen werden.»

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Bodycams kennt man von der Polizei - nun sollen diese in einem Spital in Dortmund auch beim Personal eingesetzt werden. - Keystone

Beim Thema Bodycams stellt sich auch die Frage nach dem Datenschutz. Der «Spiegel» will vom Arbeitsdirektor wissen, ob die Idee überhaupt rechtens und umsetzbar sei. «Wir eruieren gerade, ob das aus Datenschutzgründen machbar ist.» Man bekomme positive Signale und wolle mit einer Pilotphase noch in diesem Jahr beginnen.

Er betont: «Alle Kolleginnen und Kollegen können frei entscheiden, ob sie eine Bodycam tragen möchten. Der Einsatz muss vorher klar und deutlich angekündigt werden, jede Aufzeichnung muss rechtlich zulässig sein.»

«Es geht fast ausnahmslos um Männer»

Ob die Bodycams im Klinikum Dortmund tatsächlich zu weniger Gewalt gegen Spitalpersonal führen wird, dürfte sich zeigen. Kötzing sagt, dass die Täter oft alkoholisiert oder unter Drogen stehen würden. Vielleicht helfe der Einsatz der Bodycams manchen, ihre Emotionen im Griff zu behalten.

«Wir hätten jedenfalls Beweismaterial, bisher steht bei solchen Fällen oft Aussage gegen Aussage.» Weiter erwähnt der Arbeitsdirektor vom Klinikum Dortmund, dass man in Zukunft eine Statistik darüber führen wolle, wie oft Spitalmitarbeiter attackiert werden. Er betont, dass es ein bundesweites Problem sei.

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Besonders Spitalpersonal in Notaufnahmen sieht sich öfters Gewalt ausgesetzt. Die Täter sind oft alkoholisiert oder unter Drogen (Symbolbild). - keystone

Auf die Frage, ob er etwas zu den Tätern sagen könne, antwortet Kötzing, dass es fast ausnahmslos um Männer gehe. «Und es ist völlig unerheblich, wie der Vorname lautet oder wo der Pass ausgestellt wurde.»

In seiner Klinik würden etwa 5500 Menschen aus 70 Nationen arbeiten, viele seien betroffen. «Wer da etwas anderes hineininterpretieren will, weiss nichts von der Realität in unseren Notfallaufnahmen.»

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Kommentare

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