Bei Luftangriffen in Syrien werden immer wieder auch Krankenhäuser und Schulen getroffen. Kritiker werfen der Assad-Regierung und dem verbündeten Russland vor, die zivilen Einrichtungen vorsätzlich ins Visier zu nehmen. Amnesty International legt nun neue Beweise vor.
Kinder spielen in den Trümmern einer zerstörten Schule. Foto: Anas Alkharboutli/dpa
Kinder spielen in den Trümmern einer zerstörten Schule. Foto: Anas Alkharboutli/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Amnesty International kritisiert die Assad-Regierung und ihr Verbündeter Russland.
  • Der Vorwurf: Sie würden gezielt Angriffe auf Schulen und Spitäler fliegen.
  • Die Menschenrechtsorganisation legt dazu neue Beweise vor.
Ad

Syrische und verbündete russische Truppen haben laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gezielt Krankenhäuser und Schulen in Syrien angegriffen.

Zwischen Mai 2019 und Februar 2020 hätten die beiden Streitkräfte im Nordwesten des Bürgerkriegslandes mindestens 18 solcher Angriffe verübt.

In dem veröffentlichten Amnesty-Bericht ist von Angriffen auf fünf Kliniken die Rede, die anschliessend hätten schliessen müssen.

Zerstörtes Spital in Duma (Syrien).
Zerstörtes Spital in Duma (Syrien). - dpa

Der 40 Seiten lange Bericht stützt sich auf Interviews mit mehr als 70 Menschen, darunter Augenzeugen, Vertriebene, Ärzte, Lehrer, humanitäre Helfer und UN-Mitarbeiter.

Die Forscher werteten für Amnesty ausserdem Fotos und Videos sowie Satellitendaten, Funkverkehr und Angaben von Flugzeug-Beobachtern aus. Die UN-Vertretungen Syriens und Russlands reagierten auf Anfragen der Organisation zu den Vorwürfen nicht.

Kriegsverbrechen verübt

Unter den 18 Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser waren Amnestys Recherchen zufolge unter anderem zwei mit international geächteten Fassbomben durch syrische Truppen.

Dazu kamen Luftangriffe syrischer und russischer Jets. Amnesty spricht von «ernsthaften Verstössen gegen humanitäres Völkerrecht», Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie seien Teil einer «etablierten Methode» der Regierung von Präsident Baschar al-Assad im mehr als neunjährigen Bürgerkrieg.

Syrien
In Syrien kommt es immer wieder zu Luftangriffen. - Keystone

Bei den russischen und syrischen Luftangriffen werden immer wieder auch Krankenhäuser und andere lebenswichtige Infrastruktur in Syrien getroffen. Russland ist in dem Konflikt ein wichtiger Verbündeter der syrischen Regierung.

Russische Jets hatten im September 2015 mit Angriffen auf (zumeist von Islamisten beherrschte) Rebellengebiete begonnen. Mit russischer Hilfe ist es der Regierung gelungen, wichtige Gebiete wieder einzunehmen.

Syrien
Der Aussenminister Deutschlands, Heiko Maas, kritisierte Assad und Russland im UN-Sicherheitsrat für die «Bombardierung ziviler Infrastruktur». - Keystone

Auch im UN-Sicherheitsrat sind die Angriffe auf zivile Einrichtungen regelmässig Thema. Der deutsche Aussenminister Heiko Maas hatte die Attacken der syrischen Truppen und Russlands auf die Zivilbevölkerung im Februar als Kriegsverbrechen gebrandmarkt und Konsequenzen gefordert. Assad und Russland «bombardieren zivile Infrastruktur», sagte Maas in einer Sitzung des höchsten UN-Gremiums.

Ärztin: «Kenne das Geräusch von Streubomben»

«Ich fühlte mich so hilflos», sagte ein Arzt gegenüber Amnesty, der einen Luftangriff auf ein Krankenhaus im Ort Ariha in der Provinz Idlib Ende Januar überlebte.

Elf Zivilisten seien getötet worden, darunter einer seiner Kollegen. «Mein Freund und Kollege im Sterben, draussen schreiende Kinder und Frauen - wir waren alle gelähmt.»

Der Zivilschutz habe zwei Tage gebraucht, um die Leichen aus Trümmern der zerstörten Wohngebäude in Nähe der Klinik zu bergen.

Streubomben
Streubomben kommen auch in Syrien immer wieder zum Einsatz. - Keystone

Eine Lehrerin beschrieb gegenüber Amnesty, wie eine Streubombe sie verletzte und einen Schüler vor ihren Augen tötete.

«Ich kenne das Geräusch von Streubomben sehr gut», sagte sie über den Angriff in Idlib Ende Februar. «Man hört eine Reihe kleiner Explosionen. Als würde es Granatsplitter statt Wasser vom Himmel regnen.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Amnesty InternationalRegierungBaschar al-AssadHeiko MaasIdlibArztZivilschutzWasser