Grossbritannien hat die meisten Corona-Toten in Europa

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Obwohl Grossbritannien den Höhepunkt der Pandemie angeblich überschritten hat, bleibt die Zahl der Todesfälle hoch. Die Regierung versucht verzweifelt, sich gegen die wachsende Kritik zu stemmen.

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Eine Mitarbeiterin im Nightingale-Krankenhaus Nord-West in Manchester. Nach offiziellen Statistiken sind in Grossbritannien inzwischen mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben als in irgendeinem anderen Land Europas. Foto: Jon Super/AP/dpa - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In Grossbritannien sind nach offiziellen Statistiken inzwischen mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben als in irgendeinem anderem Land Europas.

Allein in England und Wales starben bis 24. April fast 30.000 Menschen nach einer Ansteckung mit dem Erreger, wie die Statistikbehörde ONS (Office for National Statistics) mitteilte. Das Gesundheitsministerium ging am Dienstag dagegen von landesweit 29.427 Todesfällen aus. Die Statistiken gehen unterschiedlich mit Verdachtsfällen und den Zeiträumen um. Bislang hatte Italien die meisten Toten während der Pandemie registriert.

Kritiker werfen Grossbritannien schlechtes Krisenmanagement vor. Nach dem Vorbild Südkoreas will die Regierung nun mit umfangreichen Tests und der Nachverfolgung von Infektionsketten die Pandemie unter Kontrolle bringen. Das Motto zur Bekämpfung des Erregers lautet «test, track and trace» - etwa: testen, verfolgen und aufspüren.

Grossbritannien sollte versuchen, dass nachzuahmen, was Südkorea geschafft habe, sagte die wissenschaftliche Beraterin der Regierung, Angela McLean. Dabei soll auch eine Warn-App helfen, die seit Dienstag auf der Isle of Wight im Ärmelkanal getestet wird.

In Italien waren am Dienstag 29.315 Opfer gemeldet worden. Dort entspannt sich die Lage wieder. Auch hier gehen die Statistiker wie in Grossbritannien von einer hohen Dunkelziffer aus.

Experten warnen zum Teil vor dem direkten Vergleich dieser Zahlen zwischen Ländern. Zu unterschiedlich seien die Methoden bei der Erhebung, Bevölkerungszahl, Altersstruktur und andere Faktoren. Doch Grossbritannien galt eigentlich als Land, in dem die Pandemie erst relativ spät Fuss fasste. Ob die Zeit sinnvoll genutzt wurde, steht nun im Zentrum einer erbittert geführten Debatte.

Die Regierung von Premier Boris Johnson wird wegen ihres Umgangs mit der Krise stark kritisiert. Bei einer Umfrage gaben kürzlich zwei Drittel der Befragten an, die Regierung habe ihrer Meinung nach mit der Einführung von Kontaktbeschränkungen zu lange gewartet.

Viele Briten werfen Johnson vor, zu spät auf den Corona-Ausbruch reagiert zu haben. Zudem mangelt es unter anderem an Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten, Ärzten und Pflegern. Der staatliche Gesundheitsdienst National Health Service gilt als marode. Inzwischen erhöhte die Regierung die Kapazitäten, auch bei den Tests.

Johnson verteidigte hingegen das Vorgehen. «Wir haben das Richtige zur richtigen Zeit getan», sagte der konservative Politiker. Das Land habe den Höhepunkt der Pandemie inzwischen überschritten. Die Zahl der Neuinfektionen und der Todesopfer würde langsam zurückgehen.

Eine Lockerung der Restriktionen in Grossbritannien ist nicht abzusehen. Einen Plan für das Vorgehen legt Johnson voraussichtlich am Sonntag vor. Erwartet wird, dass die Rückkehr zum Alltag nur in kleinen Schritten und über einen längeren Zeitraum erfolgt.

Am 23. März hatte der Regierungschef die Schliessung von Läden beschlossen und die Briten angewiesen, zu Hause zu bleiben. Ausnahmen gibt es nur für Sport, Einkäufe für den täglichen Bedarf und Arztbesuche. Wo es möglich ist, muss zu Hause gearbeitet werden.

Der 55-Jährige hatte selbst wegen einer Infektion mit dem Coronavirus eine Woche in dem Londoner St.-Thomas-Hospital verbracht. Drei Tage lang musste er auf der Intensivstation behandelt werden. «Ich hatte noch nie etwas so Ernstes wie das hier», sagte Johnson mit Blick auf seine Lungenkrankheit. «Liter um Liter» sei ihm Sauerstoff zugeführt worden, bevor sich sein Zustand wieder besserte. Sogar Vorbereitungen für seinen Tod seien schon getroffen worden, berichtete der Premier.

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