Seenotrettung: Italien führt härtere Strafen ein
Es kommen teure Zeiten auf Organisationen zu, die in der Seenotrettung aktiv sind. Italien führt hohe Strafen ein, wenn sie unerlaubt nach Italien fahren.
Dass Italien im Kampf gegen die Migration aus Nordafrika Seenotretter ins Visier nimmt, ist nicht neu. Nun drohen den Helfern exorbitante Strafen, wenn sie unerlaubt nach Italien fahren. Das Gesetz ist umstritten. Auch Brüssel nimmt es unter die Lupe.
Italien hat seine Gangart gegen private Seenotrettung im Mittelmeer nochmals verschärft und damit erneut massive Kritik ausgelöst.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) befürchtet, dass noch höhere Geldstrafen und weitere Sanktionen die Seenotrettung privater Helfer künftig be- oder sogar ganz verhindern könnten. Die EU-Kommission will prüfen, ob das Gesetz mit EU-Recht im Einklang steht, wie ein Sprecher am Dienstag in Brüssel ankündigte.
Die italienische Regierung geht im Kampf gegen die Migration aus Nordafrika seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr mit Härte gegen private Seenotretter vor. Am Montagabend billigte der Senat einen Gesetzentwurf, der den Druck auf die Hilfsorganisationen weiter erhöht. Das Gesetz sieht Strafen bis zu einer Million Euro vor, wenn ein Kapitän mit einem Schiff ohne Erlaubnis in die Gewässer des Landes fährt. In solchen Fällen können die Behörden ein Schiff künftig umgehend konfiszieren.
Grundlage für das Gesetz ist eine Notverordnung, die am 13. August ihre Gültigkeit verloren hätte und deshalb in ein Gesetz umgewandelt werden musste. Im Gesetzgebungsverfahren wurden die bereits im «Sicherheitsdekret» vorgesehen Strafen weiter erhöht. Das Dekret geht auf den rechten Innenminister Matteo Salvini zurück.
Falls die EU-Kommission bei ihrer Prüfung zu dem Schluss kommen sollte, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstösst, könnte sie ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einleiten. In dessen Verlauf könnte auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof folgen.
«Die NGOs spielen eine entscheidende Rolle bei der Lebensrettung von Flüchtlingen und Migranten, die die gefährliche Überfahrt antreten, um Europa zu erreichen», erklärte das UNHCR. «Ihr Engagement und die Menschlichkeit, die ihr Handeln lenkt, sollten nicht kriminalisiert oder stigmatisiert werden.»
Auch Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer mit Schiffen im Einsatz sind oder es bis vor kurzem waren, übten Kritik. «Italienische Juristen werden dieser völlig entgleisten Politik früher oder später Einhalt gebieten», sagte der Sprecher der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye, Gorden Isler, der Deutschen Presse-Agentur in Rom. «Eine solche Strafzahlung würde Sea-Eye nicht ohne weiteres akzeptieren.» Das Sea-Eye-Rettungsschiff «Alan Kurdi» ist derzeit in der Rettungszone vor Libyen unterwegs.
Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch hält das neue Gesetz gegen Seenotrettung für verfassungswidrig. Ihr Schiff «Sea-Watch 3» liegt derzeit in Sizilien an der Kette, nachdem die Kapitänin des letzten Einsatzes, Carola Rackete, es unerlaubt nach Italien gesteuert hatte. In Racketes Fall griff das Sicherheitsdekret: Gegen sie wurde eine Geldstrafe in Höhe von mehr als 16 600 Euro verhängt. Nach Angaben ihres Anwalts wurde dagegen Beschwerde eingelegt.
«Das neueste Gesetz ist ein weiterer Schritt in der Kampagne zur Kriminalisierung jeglicher Form von Seenotrettung», erklärte eine Sprecherin von SOS Méditerranée. «Diese Kriminalisierung und Blockade der Seenotrettung erhöht nur die Risiken für traumatisierte Menschen, die aus Libyen fliehen. Es ist wie die Bestrafung von Betreibern eines Krankenwagens, die nach einem Unfall Menschen in das nächstgelegene Krankenhaus bringen», erklärte die Sprecherin. SOS Méditerranée betreibt mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen das Schiff «Ocean Viking», das erstmals unterwegs in die Rettungszone vor Libyen ist.
Italien hat Rettungsschiffen von Hilfsorganisationen zuletzt immer wieder die Einfahrt in die Häfen des Landes verboten. Wenn ein Schiff anlegen durfte, dann erst nach langwierigen Verhandlungen mit den EU-Partnern über eine Verteilung der Menschen.