Lange gab es Zweifel, ob es dazu jemals kommen würde: Der neue Flughafen geht tatsächlich ans Netz. Die ersten Maschinen docken an. Doch darüber freuen sich nicht alle.
Der Hauptstadtflughafen BER geht in Betrieb. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Der Hauptstadtflughafen BER geht in Betrieb. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit neun Jahren Verspätung ist am Samstag der neue Hauptstadtflughafen BER eröffnet worden.
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Flugzeuge von Easyjet und Lufthansa brachten die ersten Fluggäste zum neuen Terminal.

Aus Sicherheitsgründen landeten die Flugzeuge nicht wie geplant parallel auf beiden Start- und Landebahnen, sondern mit einem Abstand von gut vier Minuten beide auf der Nordbahn. Leider habe das Wetter nicht mitgespielt, sagte Patrick Muller, am BER verantwortlich für die Abläufe. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wird der Luftverkehr Berlins und Brandenburgs am Standort des früheren DDR-Flughafens Schönefeld konzentriert. Der Innenstadtflughafen Tegel schliesst. Dort soll am 8. November die letzte Maschine abheben.

Der Bau des BER war geprägt von Planungsfehlern, technischen Problemen und Baumängeln. Sechs Mal wurde die Eröffnung verschoben. Die Kosten für den Bau und den Schallschutz der Anwohner verdreifachten sich auf Rund sechs Milliarden Euro.

Die Eröffnung fällt in die schwerste Krise der Luftfahrt seit dem Zweiten Weltkrieg, wie es in der Branche heisst. Nur wenige Tausende Passagiere pro Tag werden in den nächsten Wochen in Schönefeld erwartet. Die Sondermaschinen von Easyjet und Lufthansa brachten geladene Gäste zum neuen Terminal. An diesem Sonntag sollen dort die ersten Fluggäste einchecken.

Der Eröffnungstag ist aus Sicht von Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup «kein historischer Tag». «Aber es ist für uns, für Berlin und Brandenburg, für Ostdeutschland ein ganz wichtiger Tag», sagte er. «Endlich können wir unseren Flughafen in Betrieb nehmen. Endlich.» Die Corona-Krise sei auf dem weiteren Weg auch mit Blick auf die Finanzen des Flughafens eine grosse Herausforderung. Aber: «Wir werden diese Krise aus meiner Wahrnehmung meistern und den BER gemeinsam zu einem erfolgreichen Flughafen machen», sagte Lütke Daldrup.

Berlin, Brandenburg und der Bund hatten sich 1996 entschieden, den Flughafen am Rande der Hauptstadt auszubauen. Die Wahl des Standorts löste im dicht besiedelten Umland Proteste und jahrelangen Streit um die Flugrouten aus.

Die Schliessung Tegels soll Hunderttausende von Fluglärm entlasten und Platz schaffen für einen Forschungs- und Gewerbestandort. Zur Sicherheit bleibt der Flughafen im Westen der Stadt aber noch ein halbes Jahr betriebsbereit. Der Traditionsflughafen Tempelhof ist schon seit 2008 geschlossen. Das Gelände ist als Park für die Bürger geöffnet.

Das Terminal des früheren Zentralflughafens der DDR in Schönefeld bleibt vorerst als Teil des BER erhalten. Vom alten Flughafen übernimmt der BER auch eine Start- und Landebahn. Die neue zweite Bahn geht am 4. November in Betrieb, dann gilt an dem Standort erstmals ein Nachtflugverbot.

Der Bau des neuen Terminals war durch den Verzicht auf einen Generalunternehmer und zahlreiche Umplanungen ausser Kontrolle geraten. 2012 wurde die Eröffnung wenige Wochen vor dem Termin abgesagt. Auch international löste das Staunen und Hohn aus. Die folgenden Arbeiten kamen einer Sanierung des Neubaus gleich. Jahrelang wurde umgebaut, vor allem beim Brandschutz.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt vor einer Überdramatisierung der finanziellen Probleme des BER. «Es ist nicht überraschend, dass in einer so tiefen wirtschaftlichen Krise der Flughafen BER Verluste macht, das geht fast allen anderen Flughäfen auch so», sagte er dem «Handelsblatt». Es gebe keinen Grund, an der Zukunftsfähigkeit des BER zu zweifeln.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, nahm die Eröffnung zum Anlass, erneut an die finanziellen Schwierigkeiten der Flughafengesellschaft zu erinnern. «Der BER wird die öffentlichen Kassen des Bundes und der Bundesländer Berlin und Brandenburg auch in den kommenden Jahren stark belasten», teilte er mit.

Hofreiter ist nicht der einzige Kritiker. Mehrere Klimaaktivisten kletterten am Vormittag auf das Dach eines BER-Eingangsgebäudes und seilten sich von dort ab. Einer von ihnen entrollte schliesslich ein Banner mit einem Protestspruch gegen die Eröffnung des Flughafens am Samstag: «Flieger stoppen statt Klima schrotten». Ein anderer Aktivist liess sich lediglich per Seil vom Dach ab. Polizeibeamte liessen sie zunächst gewähren, holten sie aber nach rund einer Stunde mit einem Kletterteam herunter.

Als Pinguine verkleidet protestierten Mitglieder der Gruppe «Am Boden bleiben», die sich für weniger Flugverkehr engagiert. Sie zogen vom Willy-Brandt-Platz bis zum Eingang des neuen Terminal 1 und skandierten «Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir sie? Jetzt!» Es gehe darum, ein Zeichen gegen die Luftfahrtindustrie zu setzen, erklärte ein Mitglied der Gruppe.

Direkt vor dem Eingang bildeten sie mit grossen, würfelförmigen Luftballons die Buchstabenreihe «#NO BER». Zeitgleich blockierte eine zweite Gruppe ein Stockwerk tiefer im Terminal 1 die Treppen. Mehrere Dutzend als Pinguine verkleidete Mitglieder legten oder setzten sich dort auf den Boden. Andere gruppierten sich um sie herum und hielten Transparente hoch, auf denen unter anderem zu lesen war: «Coole Vögel bleiben am Boden».

Bereits seit vergangener Woche ist das Regierungsterminal auf dem BER-Gelände in Betrieb. Ein weiteres Fluggastterminal ist fertig, soll wegen des coronabedingten Einbruchs der Passagierzahlen aber erst nächstes Jahr in Betrieb gehen.

Mit dem Eröffnungstag am Samstag wird auch der Zugverkehr zum BER erweitert. Fortan halten dort auch Fern- und Regionalzüge. Die S-Bahn fährt den neuen Standort bereits seit Mittwoch im 10-Minuten-Takt an. Erneut eröffnet wird zudem das Steigenberger-Hotel auf dem Flughafengelände. Das Hotel war bereits im Jahr 2012 fertiggestellt worden und hatte drei Wochen lang geöffnet, bis es nach der damals geplatzten Eröffnung für acht Jahre schliessen musste.

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