Heckler & Koch stoppt Sturmgewehr-Vergabe vorerst
60 Jahre lang setzte die Bundeswehr auf Sturmgewehre von Heckler & Koch. Damit soll bald Schluss sein, in einem Bieterverfahren zog die Firma den Kürzeren. Doch die Waffenschmiede zieht alle juristischen Register, um den Auftrag noch an Land zu ziehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Streit mit der Bundesregierung hat der Waffenhersteller Heckler & Koch einen weiteren juristischen Schritt unternommen, um doch noch einen Sturmgewehr-Grossauftrag des Bundes zu bekommen.
Man habe einen Antrag auf ein Nachprüfungsverfahren eingereicht, teilte das Unternehmen aus Oberndorf im Schwarzwald am Dienstag mit. So ein Antrag wird auch Vergabebeschwerde genannt, er hat aufschiebende Wirkung - damit liegt die Neubewaffnung der Bundeswehr mit 120 000 Sturmgewehren vorerst auf Eis. Das schon 2017 begonnenen Ausschreibungsverfahren wird zur Hängepartie für die Armee.
Das Verteidigungsministerium hatte Mitte September überraschend entschieden, den Auftrag von bis zu 245 Millionen Euro an den kleinen Konkurrenten C.G. Haenel vergeben zu wollen. Der Empfehlung des Ministeriums soll der Bundestag noch zustimmen - dies kann er aber erst nach Ende des Rechtsstreits zwischen H&K und dem Bund.
Die Auseinandersetzung landet in erster Instanz bei der beim Bundeskartellamt angesiedelten Vergabekammer des Bundes, als zweite Instanz wäre das Oberlandesgericht Düsseldorf am Zug. Nach Einschätzung des Vergaberechtlers Jan Byok von der Kanzlei Bird & Bird dürfte sich der Rechtsstreit mehrere Monate, vermutlich ein halbes Jahr hinziehen. Aus seiner Sicht hat H&K einen schweren Stand. «Es gibt nur wenige Fälle, in denen sich im Rüstungsbereich die Klägerfirma durchgesetzt hat gegen das Beschaffungsamt - früher war das anders, aber heute arbeitet das Amt deutlich gründlicher und macht weniger Fehler.»
Wie wichtig der prestigeträchtige Auftrag für das Schwarzwälder Traditionsunternehmen ist, lässt sich auch an einem dicken Preisnachlass erkennen: Wie dpa aus informierten Kreisen erfuhr, forderte Heckler & Koch zunächst 235 Millionen Euro für die 120.000 Sturmgewehre. Im Laufe des Vergabeverfahrens senkte Heckler & Koch seine Forderung auf 179 Millionen Euro. Dem Vernehmen nach lag das finale Angebot von Konkurrent Haenel aber rund 50 Millionen Euro niedriger.
Vergaberechtler Byok erklärte, dass der Vorwurf des Preisdumpings - also ein Preis unterhalb der Herstellungskosten - eine Rolle spielen könnte in dem Beschwerdeverfahren. Dumpingpreise sind bei öffentlichen Auftragsvergaben verboten.
C.G. Haenel ist ein kleiner Waffenhersteller aus Suhl in Thüringen. Er gehört zum Rüstungskonzern Caracal aus Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Laut Bundesanzeiger machte Haenel im Jahr 2018 nur 7,1 Millionen Euro Umsatz mit neun Mitarbeitern plus Geschäftsführung. 2017 waren es nur vier Mitarbeiter gewesen. Die Zahlen für 2019 wurden noch nicht publiziert. In einer ersten öffentlichen Mitteilung erklärte Haenel-Chef Olaf Sauer unlängst, man habe inzwischen 120 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Heckler & Koch kommt mit rund 1000 Beschäftigten auf einen Jahresumsatz von 239 Millionen Euro (2019).
Angesichts einer hohen Nachfrage aus anderen Staaten würde die hoch verschuldete Firma aus Baden-Württemberg die Ausschreibungsniederlage verkraften können - die Auftragsbücher sind voll und das Unternehmen war 2019 in die Gewinnzone zurückgekehrt. Da H&K seinen Preis deutlich gesenkt hatte, dürfte die Profitabilität des eigenen Angebots ohnehin stark eingebüsst haben.
Schwerer wiegt aber der Reputationsschaden - in Verkaufsgesprächen mit ausländischen Kunden war es stets ein Vorteil, auf den Stammkunden Bundeswehr verweisen zu können. Dieses Verkaufsargument fällt bei Sturmgewehren künftig weg. Mit Maschinengewehren und Granatwerfern machen die Oberndorfer hingegen weiter Geschäfte mit dem Bund. Doch ausgerechnet in ihrer Paradedisziplin Sturmgewehr müssten sie einen Rückschlag hinnehmen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Heckler & Koch und der Bund vor Gericht miteinander streiten. 2015 warf die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dem Unternehmen Mängel beim Sturmgewehr G36 vor, erlitt mit dieser Sichtweise aber vor dem Koblenzer Landgericht Schiffbruch.