Arbeitsminister Heil will Tönnies für Corona-Ausbruch zur Kasse bitten
Das Wichtigste in Kürze
- Koalition will Verbot von Werksverträgen vorantreiben.
Der Konzern habe mit Verstössen gegen die Corona-Regeln «eine ganze Region in Geiselhaft genommen» und müsse deswegen die «zivilrechtliche Haftung» übernehmen, sagte Heil. In der Fleischbranche sei insgesamt etwas «umzukrempeln und aufzuräumen», sagte Heil am Montag in der ARD. Er zeigte sich bereit, das für den Jahreswechsel geplante Verbot von Werksverträgen vorzuziehen.
Sein Vertrauen in die Firma Tönnies sei «gleich null», sagte Heil sagte in der «Bild»-Internetsendung «Die richtigen Fragen». Der Konzern habe nicht nur die eigenen Beschäftigten, sondern die «öffentliche Gesundheit» gefährdet. Er erwarte, dass die Firma für die Schäden gerade stehe.
In der ARD mahnte Heil am Montag grundsätzliche Veränderungen in der Fleischindustrie an: Das Bundeskabinett hatte bereits im Mai neue Auflagen für die Fleischindustrie auf den Weg gebracht. Vorgesehen ist unter anderem ein Verbot von Werkverträgen, das ab dem 1. Januar 2021 gelten soll. Danach sollen nur Angestellte des eigenen Betriebs Tiere schlachten und zerlegen dürfen.
Heil plädierte nun dafür, die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Gesetzes vorzuziehen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass Veränderungen in der Fleischindustrie für die ganze Bundesregierung «sehr wichtig» seien. Die geplanten Änderungen würden nun «mit Dringlichkeit vorangetrieben». Das Bundesfinanzministerium teilte mit, dass der Zoll angewiesen worden sei, die Prüfungen des Arbeitsschutzes schon jetzt zu «intensivieren».
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte vor einem Übergreifen des Ausbruchs im Kreis Gütersloh auf ganz Deutschland. «Jetzt gilt es, jeden regionalen Ausbruch umgehend einzudämmen und die Infektionsketten zu unterbrechen», sagte Spahn der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post». Deswegen müsse angeordnete Quarantäne dringend durchgesetzt werden.
Regierungssprecher Seibert sprach von einem Ausbruch, «der sehr ernst zu nehmen ist». Es sei «jetzt alles zu tun, um diesen Ausbruch einzudämmen».
Konzernchef Clemens Tönnies hatte sich am Samstag öffentlich für den Ausbruch des Erregers unter Mitarbeitern des Schlachtereibetriebs im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück entschuldigt. Sein Konzern stehe in «voller Verantwortung», sagte er. Die komplette Tönnies-Belegschaft steht derzeit unter Quarantäne.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter appellierte an den Unternehmenschef, die durch den Virus-Ausbruch entstandenen Kosten aus der eigenen Schatulle zu bestreiten. Wenn Clemens Tönnies seine Entschuldigung ernst meine, «würde er die Kosten aus seinem Privatvermögen tilgen - nicht aus dem Firmen-Vermögen», sagte Hofreiter in «Die richtigen Fragen».
Der Virus-Ausbruch bei Tönnies hat die Debatte um einschneidende Veränderungen in der Fleischindustrie weiter befeuert. Kritiker machen schlechte Arbeitsbedingungen und die Unterbringung von - meist osteuropäischen - Mitarbeitern von Subunternehmen für die Serie von Coronavirus-Ausbrüchen in der Branche mitverantwortlich.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte höhere Fleischpreise und eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland. «Fleisch ist ein Produkt, das mit hohem Einsatz an Energie und anderen Rohstoffen entsteht. Wert und Preis stehen oft in einem krassen Missverhältnis», sagte Walter-Borjans dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.